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  • Haben wir einen Fachkräftemangel in der Politik? Jedenfalls brauchen wir Nachwuchs. Und es scheint, die nächste Generation in der Politik muss mehr können, als die Ochsentour einer klassischen Parteikarriere zu absolvieren. Wer nicht ein paar Jahre Schatzmeister im Kreisverband war, schafft es nie auf einen aussichtsreichen Platz auf der Landesliste … Caroline Weimann lässt das keine Ruhe. Sie hat „JoinPolitics“ gegründet, um andere Talente in den Bundestag zu bringen. Oder in einen Landtag. Jedenfalls in Verantwortung. Wie das gehen kann, erklärt sie im Podcast.

    Caroline sagt: Politische Herausforderungen werden in den kommenden Jahren genau das, nämlich: herausfordernder. Was wäre, wenn wir nicht Parteisoldaten daran setzen würden, sondern Menschen, die eine Vision umtreibt - und die dann auch noch über die Fähigkeit verfügen, Menschen zu gewinnen, die Ärmel hochzukrempeln und ins Tun zu kommen?

    Ein Lackmus-Test: Sind Parteiabende so spannend und attraktiv, dass man seine Freunde einladen würde - und sie sogar mitkämen? Andersherum gefragt: Welche Typus Akteur spuckt das heutige politische System einfach direkt wieder aus? Und was müssen wir ändern, damit es die Macher:innen von morgen gerade anzieht?

    Michael und Caroline sprechen über die Zukunft von Politik - und über die Zukunft in der Politik. Caroline wünscht sich mehr der großen Themen wirklich auf der Agenda. Rente, Biodiversität, Teilhabe. Der Weg dahin führt über ein Zukunftsbild. Was ist die ebenso mögliche wie attraktive Zukunft? Von dort aus wird es uns leichter gelingen, rückwärts zu denken und abzuleiten, was wir heute dafür tun müssen. Leichter, oder vielleicht überhaupt erst.

    Zu Gast: Caroline Weimann, Gründerin von JoinPolitics. 

  • Jede:r einzelne kann einen Unterschied im Kampf gegen die Klimakrise machen. Davon ist Ruth von Heusinger zutiefst überzeugt. Das hat allerdings einen Preis. Aber es lohnt sich. Der Gewinn sind bessere Lebensbedingungen. Der Preis kann persönlicher Einsatz für das Klima sein, die Umstellung des eigenen Lebensstils oder eben der Erwerb von Verschmutzungsrechten.

    Ruth hat dafür „ForTomorrow“ gegründet. Sie sammelt Spendengelder und erwirbt dafür bei der EU Verschmutzungsrechte. Tonne für Tonne CO2 und weitere Treibhausgase. Unternehmen in immer mehr Branchen müssen diese Rechte kaufen, um bei der Produktion Treibhausgase ausstoßen zu dürfen. Ruth kauft sie, um sie stillzulegen. Und da die Rechte endlich sind, ist jedes stillgelegte Verschmutzungsrecht eine Tonne CO2, die in Europa nicht ausgestoßen wird.

    Mit den Verschmutzungsrechten bringt die EU die Kosten für das Anheizen des Klimawandels in die Bilanzen der Unternehmen. Gibt es noch zu viele davon? Ja. Immer noch zu günstig? Wohl auch ja. Immer noch zu wenige Branchen? Ja. Autoverkehr kommt erst 2027 dazu. Aber das Prinzip steht. Und es wirkt. Ruth betont die mehrfache Wirkung des investierten Geldes: Erst wird das Klima entlastet. Dann sind die Regierungen verpflichtet, die Einnahmen für Klimazwecke zu verwenden. Und wir sorgen handfest für Transformationsanreize in den Unternehmen. Sobald es günstiger ist, Verschmutzungsrechte nicht nutzen zu müssen, sie gar lieber zu verkaufen als selbst einzusetzen, treiben wir die Transformation von Produktion und Konsum voran.

    Ruth hat bislang 18.000 Tonnen CO2 aus dem Spiel genommen. Ist das Viel oder wenig? Mehr als sie zu Anfang je gedacht hätte, sagt Ruth. Und doch nicht genug. Das gängigste Spendenmodell ist es, wenn Menschen ihre eigenen Fußabdruck eliminieren wollen. Für Menschen in Deutschland heißt das derzeit: 9 Tonnen pro Jahr.

    Der zweite Arm von „ForTomorrow“ widmet sich dem Wald. Noch gibt es kein effizienteres Werkzeug als Bäume, um CO2 aus der Luft zu filtern. Ruth und ihr Team machen sich auch hier die Wirkungsweise von Ämtern und Gesetzen zu nutzen. Fläche, die einmal als Wald ausgewiesen ist, kann nie wieder etwas anderes werden, so steht es im Gesetz. Also sorgt Ruths Team dafür, dass Flächen zu Wäldern erklärt werden. Die ersten Bäume pflanzt „ForTomorrow“, den Rest macht das Amt für Forstwirtschaft. So geht Arbeit mit dem System.

    Zu Gast: Ruth von Heusinger, Gründerin und Geschäftsführerin von ForTomorrow

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  • Zweifel sind angebracht. Sind wir angesichts der Krisen und Herausforderungen, die vor uns liegen, mit unserem politischen System wirklich gut aufgestellt? Max jedenfalls teilt diese Zweifel. Seine Gründung „Brand New Bundestag“ soll Menschen in das politische System bringen, die den Mut und die Fähigkeit haben, das System zu hinterfragen und die Strukturen überall dort herauszufordern, wo sie uns nicht mehr dienen. Solche Leute sucht Max. Und er findet sie. Mit diesen Kandidaten arbeitet Brand New Bundestag und unterstützt sie, zum Beispiel durch Öffentlichkeit. Was es wiederum einfacher macht, sich parteiintern durchzusetzen. Die ersten unterstützten Kandidaten haben es bei der vorigen Wahl in den Bundestag geschafft. Mehr sollen folgen.

    Das politische System, das wir haben, fördert das Verlässliche. Das immer gleiche. Das Berechenbare. Der Konformitätsdruck für Abgeordnete und mehr noch für Kandidat:innen ist krass. Eine Konsequenz: Diverse, profilierte Kandidat:innen aller Parteien hätten an der Urne durchaus Chancen - aber sie kommen dort gar nicht erst hin, weil sie sich vorab in ihrer Partei nicht durchsetzen können. Am Ende bekommen wir immer wieder denselben Partei-fähigen Typus Politiker:in. Max sagt: Die Demokratiekrise, die wir gerade erleben, ist eine Parteienkrise.

    Brand New Bundestag wurde aus der Erfahrung der Klimabewegung vor der 2021er Bundestagswahl gegründet. Die Klimakrise und die notwendige Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft stehen inhaltlich stark im Zentrum. Max erzählt, wie er damals als Berater im Bundestag immer wieder einen Graben erlebt hat: Draußen engagieren sich Menschen und drinnen zucken Abgeordnete mit den Schultern und fragen sich, was ihnen das helfen kann. Zivilgesellschaft und Politik kommen nicht richtig zusammen. Beide tauschen oberflächlich Informationen aus, aber sobald die Tür zugeht, schlägt der politische Betrieb zu. … das kriege ich nicht durch … der Fraktionsvorstand hält das nicht für ein gutes Thema … So mutieren Anhörungen zu Pseudobeteiligungen. Welche Informationen werden eigentlich politisch-strategisch verwendet? Viele Wähler:innen und Engagierte sind frustriert. Was kommt von meiner Botschaft und warum manches nicht?

    Brand New Bundestag setzt eine Community dagegen, hat progressive Abgeordnete aus allen Parteien (außer der AfD, versteht sich) erst zusammen- und dann mit zivilgesellschaftlichen Akteuren in den Dialog gebracht. Die einen können Bewegungen erzeugen, die anderen Gesetze. Was wird für eine Energie frei, wenn beides koordiniert stattfindet? Die Idee heißt Movement Politics. Die parlamentarische Arbeit als Fortsetzung des zivilgesellschaftlichen Engagements. Letzten Endes, so Max, brauchen wir eine gemeinsame Fortschrittserzählung, die die großen Krisen ernst nimmt und besprechbar macht. Dann lebt die Demokratie.

    Zu Gast: Dr. Maximilian Oehl, Co-Initiator & Executive Director @ Brand New Bundestag

  • Die Klimakrise bestimmt, wie warm es sein wird - dann, wenn wir an der Biodiversitätskrise sterben. So in Kürze der Zusammenhang zwischen der unterschätzten Krise (Klima) und der dramatisch unterschätzten Krise (Biodiversität). Biodiversität ist das große kommende Thema. Pro Stunde sterben sechs Spezies auf diesem Planeten aus. In den vergangenen 50 Jahren haben wir 70% der Masse an Wirbeltieren verloren. Anna Alex betont: Das waren nicht irgendwelche fernen Vorfahren, das ist jetzt, das sind wir.

    Anna hatte bereits erfolgreich mehrere Startups gegründet, als sie zur Mitgründerin von Nala.earth wurde. Nala verknüpft Unternehmen mit ihrer natürlichen Umgebung, genauer: Die Software von Nala bringt die Auswirkungen eines Unternehmens auf seine konkrete Umwelt in den Boardroom. Damit wird messbar, was wir sonst de facto oft ignorieren. Die Natur erbringt enorme wirtschaftlich wertvolle Leistungen - und: Zahlreiche Produktionsprozesse sind von der Natur direkt oder indirekt abhängig. Abseits von Ethik und Werten liegt hier eine ganz handfeste Motivation für Unternehmen. Wie groß sind die Abhängigkeiten und Risiken, wo mein Unternehmen mit der Natur interagiert? Nala liefern die Kennzahlen, die es für diese Risikoabschätzung braucht. 

    Anna erläutert: Nur 1% der Fläche Europas ist wilde Natur, in Deutschland sogar nur 0,6%. Alles andere ist gemanaged, als könnten sich Wald, Wiese und Gewässer nicht eigenständig höchst erfolgreich entwickeln. Zugleich erbringt die Natur eine erhebliche Wirtschaftsleistung. Global ist sie doppelt so hoch wie GDP. Anna sagt, Wenn wir die Natur immer mehr einschränken, steuern, kontrollieren wollen, passt das so einfach nicht zusammen und ist nicht zukunftsfähig. Wenn die Ökosystem-Dienstleistungen doppelt so hoch sind wie die Wirtschaftsleistung, heißt das auch: Berechnen wir die Natur mit ein, ist unsere Wirtschaftsleistung negativ. Mehr als deutlich negativ. So viel zum Narrativ der Industrialisierung, dass wir uns in den vergangenen 200 Jahren Wohlstand und Annehmlichkeiten geschaffen haben …

    Die gute Nachricht: Dass Biodiversität "the next big thing" ist, realisieren immer mehr Menschen in unternehmerischer Verantwortung. CSRD mag hier zusätzlich helfen.

    Die zweite gute Nachricht: Anna bietet allen Hörer:innen dieses Podcasts einen kostenlosen Einstieg. Unternehmen können für drei Produktionsstätten eine kostenfreie erste Analyse aus dem System von Nola erhalten. Interesse? Einfach mail an [email protected].

    Zu Gast: Anna Alex, Unternehmerin & Investorin mit Fokus auf Nachhaltigkeit, Biodiversität und Natur, Co-Founder Nala Earth, Planetly, Outfittery

  • Es ist so etwas wie das kleine gallische Dorf der Social Media Plattformen. Während Twitter (sein Eigentümer kennt nur den einen Buchstaben zwischen W und Y) bedrohlich nach rechts trudelt, TikTok von AfD-Videos geflutet wird, Instagram nur emotionalen Stress mittels unerreichbarer Schönheitsideale fördert, ist nebenan.de geradezu unspektakulär friedlich. Menschen helfen sich. Fertig. Philipp Witzmann ist der Kopf von nebenan.de. Er biete Raum für Bohrmaschinentausch und weihnachtliche Nachbarschaftserfahrungen.

    Ja, Philipp hat auch ein Team, das eingreift, wenn sich wer im Ton vergreift. Aber die Größenordnung ist hier eine völlig andere. Seine These: Die Nähe wirkt. Wer seine Botschaften in die Welt hinausschreien will, braucht Facebook oder ähnliches. Bei nebenan.de landet die Botschaft in der Nachbarschaft und nirgendwo sonst. Und der Absender ist mit Klarnamen verifiziert und wohnt auch genau dort, wo seine Botschaft ertönt. Philipp sagt: Geradere räumliche Beschränkung führt zu einer anderen Atmosphäre.

    Letztlich ist der Mensch auf Kooperation und Austausch ausgelegt. Philipp verweist auf Statistiken, wonach allein lebende Menschen Monate früher in Pflegeheime übersiedeln als solche in sozialen Bindungen. Einsamkeit macht krank. Das ist einer der Sweet Spots von nebenan.de: Menschen nicht nur zur gemeinsamen Nutzung der Haushaltsleiter, sondern für Begegnung, Austausch, gemeinsame Spaziergänge oder Mahlzeiten.

    Während die klassischen ehrenamtlichen Organisationen sich schon lange Sorgen über ihren Nachwuchs machen, sieht Philipp in den Daten seiner Plattform sehr genau: Dies liegt nicht am mangelnden Willen der Menschen. Die Hilfsbereitschaft ist da. Das Engagement, der Sinn für eine große Gemeinsamkeit. Möglicherweise ist die Form heute angemessener, sich je nach Kapazität aktuell für Hilfe zu entscheiden - und sich nicht direkt auf Dauer zu verpflichten. Davon erhält dann zwar niemand eine Ausbildung am Feuerwehrschlauch, das ist ein Problem. Aber die Schwelle zur gegenseitigen Hilfe ist offensichtlich in einer digital vermittelten Nachbarschaft geringer.

    Der Film, den Philipp erwähnt, ist „Social Dilemma“: https://www.thesocialdilemma.com/de/the-film/

    Zu Gast: Philipp Witzmann, CEO von nebenan.de

  • Menschen mit rechten und rassistischen Haltungen sind mitten unter uns. Natürlich. Überall. In der Feuerwehr, im Fußball, im Gemeinderat ohnehin. Leider auch in staatlichen Organisationen wie Polizei und Justiz. Der Journalist Matthias Meisner analysiert die rechte Szene schon seit langem; gerade hat er gemeinsam mit Heike Kleffner ein Buch herausgegeben. In „Staatsgewalt. Wie rechtsradikale Netzwerke die Sicherheitsbehörden unterwandern“ beschreiben zahlreiche Autor:innen das Phänomen detailliert.

    Das Phänomen ist kleinteilig und vielschichtig, das Muster erschreckend. Rechte Netzwerke streben gezielt an, sich in staatlichen Institutionen zu verankern. Damit bekommt die rechte Haltung ganz konkrete Konsequenzen: Welches Jugendhaus bekommt Mittel? Welche Anträge werden überhaupt bearbeitet oder einfach verschleppt? Jüngstes Beispiel: In Eisenach haben Journalisten dokumentiert, wie rechte Bands verbotene Symbole benutzen. Gegen wen ermittelt inzwischen die Polizei? Und gegen wen nicht? Das ist der Effekt.

    Matthias betont: AfD und co schlafen nicht, sondern versuchen sich ganz gezielt als parlamentarischer Arm der Sicherheitsbehörden zu inszenieren. Damit wächst die Bedrohung weiter.

    Auch wenn das Momentum der gesellschaftlichen Mitte gerade so groß ist wie schon lange nicht, sagt Matthias: Es gibt Regionen in Deutschland, die wirken verloren für die Demokratie. Bautzen gehört dazu. Hier ist Matthias nah an der Resignation, sagt: Da weiß ich nicht, wie das noch zu retten ist. In solchen Regionen seien die Vernetzungen zwischen AfD und CDU so groß, da sind die beiden auch am Ende nicht mehr voneinander zu unterscheiden. Kommt dann noch die Bedrohung von Kommunalpolitiker:innen durch Rechte hinzu, verschärft sich das Bild. Wenn auch noch diejenigen aufgeben, die bislang dagegen halten, kann die Stimmung kippen und Regionen drohen verloren zu gehen.

    Ein Merkmal dieser Entwicklung: Ganze Bereiche des Lebens werden entpolitisiert. Will ein Gasthaus keine AfD-Veranstaltungen, nimmt es einfach gar keine mehr. Die ehemalige Synagoge in Görlitz. Prachtvoll restauriert. Die Institution hat sich als Policy gegeben, dass Antisemitismus hier keinen Platz haben darf - wie auch sonst? Die Konsequenz: Es finden gar keine politischen Veranstaltungen statt, weil sich niemand dazu durchringen kann, die örtliche AfD auszuladen. Ein Beispiel von vielen.

    Matthias spricht sich dafür aus, genau hier für eine Gegenstrategie anzusetzen. Er regt an, lokale Stammtische aufzulegen, für Demokratie, für Vernetzung, so niedrigschwellig wie möglich. Das Konzept wird er in Kürze bei Campact vorstellen.  

    Das Buch von Matthias und Heike heißt „Staatsgewalt. Wie rechtsradikale Netzwerke die Sicherheitsbehörden unterwandern“, 2023 erschienen im Herder Verlag.

    Das andere im Podcast erwähnte Buch ist von Hendrik Cremer und heißt: „Je länger wir schweigen, desto mehr Mut werden wir brauchen. Wie gefährlich die AfD wirklich ist“ und ist 2024 bei Piper erschienen.

    Campact Blog

    Zu Gast:

  • Ein Eindruck: Kommt der Klimawandel noch schneller als gedacht? Die Antarktis taut schneller ab, die Ozeane erwärmen sich stärker als erwartet, die Temperaturen reißen Höchststand nach Höchststand. Stimmt der Eindruck? Jein, sagt Lars Fischer, Wissenschaftsjournalist bei Spektrum. Die Erde erwärmt sich ziemlich genau im prognostizierten Rahmen der gängigen Klimamodelle. Allerdings sehen wir mehr und mehr einzelne extreme, lokale Ereignisse.

    Konkret: Vor uns liegt eine Welt, in der häufiger Wetterereignisse auftreten, die vorher extrem selten waren. Lars sagt: Damit funktionieren unsere über Jahrhundert geübten Anpassungen nicht mehr. Wie hoch bauen wir die Deiche? Wo können wir Häuser errichten? Haben wir genug Wasser? Welche Feldfrüchte bauen wir an? Die Infrastruktur unserer Gesellschaft, die materielle wie die kulturelle, funktioniert nicht mehr. Das verursacht Kosten, das erzeugt soziale Verwerfungen. Und wir wissen: Für komplexe Gesellschaften war das historisch stets schwer zu verarbeiten. Menschliche Gesellschaften haben gut funktioniert, solange die Systeme stabil waren. Wenn die Umweltfaktoren sich stark veränderlich zeigten, sind menschliche Kulturen ins Wanken gekommen. Mit diesem Effekt müssen wir rechnen. 

    Lars betont: Wir könnten uns durchaus auf eine 2 Grad wärmere Welt einstellen. Das ist teuer, anstrengend und nicht nett, aber es geht. Der Punkt, so hebt er hervor, ist ein anderer: Wir haben kein neues Normal mehr. Unsere Anpassungsprozesse dauern zu lange. Wir rennen hinterher. Wenn wir uns angepasst haben, ist die Welt schon wieder anders. Am Ende sind wir bei "Hase und Igel", nur leider als Hase.

    Ein konkreter Anwendungsfall, an dem Michael und Lars die Tragweite diskutieren, ist die Erwärmung der Ozeane. Ein Szenario: Wird das Meer zu süß und zu warm, kommt der große Kreislauf zum Erliegen, der überdurchschnittlich viel warmes Wasser nach Europa bringt. Eine mögliche Konsequenz: Es wird kälter in Europa. Deutlich kälter und trockener. Und wieder laufen Hase und Igel.

    Zu Gast: Lars Fischer, Chemiker, Wissenschaftsjournalist, Redakteur bei "Spektrum der Wissenschaft"

    YouTube Kanal: https://www.youtube.com/@LarsFischer/videos

    Der im Podcast erwähnte Kommentar von Lars: Das Zeitalter der bösen Überraschungen

  • Dies ist keine Folge über wilde Landwirte auf riesigen Traktoren. Oder doch? Sebastian Lakner ist Professor an der Uni Rostock und lehrt Agrarökonomie. Er betont: Die Landwirtschaft befindet sich mitten in größten Veränderungen. Dass es dabei zu Ärger, Angst und sonstigen Emotionen kommt, ist kein Wunder.

    Michael und Sebastian diskutieren die Zukunft der Landwirtschaft. Sebastian zeigt auf, wie gerade die technologische Entwicklung die Strukturen der Landwirtschaft prägt und weiter prägen wird. Immer mehr Technologie, autonome Hackroboter, Satelliten-gestützte Düngung steigern die Erträge, minimieren teils dazu noch den Einsatz von Wasser, Dünger und Gift - und überfordern die kleineren Betriebe Schritt für Schritt. Ist es schlimm, wenn die Kleinen weichen und die Großen wachsen? Für den einzelnen Kleinen natürlich. Wenn sich nach Jahrzehnten harter Arbeit kein Nachfolger findet, der den Hof übernimmt, sitzt der Frust tief. Aber insgesamt? Sebastian lässt keinen Zweifel daran: Die gängige romantische Vorstellung, wonach kleine Höfe in Handarbeit Lebensmittel in viel höherer Qualität produzieren als die Großbetriebe der Agrarindustrie, ist genau das: Romantik. Einen Zusammenhang zwischen Größe der Höfe und Qualität der Lebensmittel gibt es nicht. Auch nicht zum Tierwohl. Und wenn, dann tun sich eher die Großen leichter, gute Lebensmittel zu verträglichen Bedingungen zu produzieren.

    Der zweite große Veränderungstreiber ist der Wandel der Umweltbedingungen. Klima, Artenvielfalt - Landwirte sind hier Treiber wie Opfer der Entwicklung. Die Palette reicht von neuen Insekten bis hin zum Bedarf an neuen Zuchtpflanzen. Eine Schwierigkeit dabei: Dieser Wandel geht nicht nur tief, er ist dazu noch schnell. Mit herkömmlichen Zuchtverfahren werden wir kaum rechtzeitig Pflanzen haben, die mit den veränderten klimatischen Bedingungen zurecht kommen. Deshalb kommen wir kaum um den verantwortungsvollen Einsatz von grüner Gentechnik herum. Die ist letztlich genau das: Gezielte Zucht auf Speed. Michael und Sebastian beschreiben beide, wie sie aus einer ablehnenden Haltung gegenüber Gentechnik zu der Erkenntnis gekommen sind, dass ihr Einsatz im Grunde unabweisbar ist. Und gar nicht problematisch, den verantwortungsvollen Einsatz vorausgesetzt. Ja, ihr internationalen Konzerne, looking at you!

    Der Landwirt der Zukunft sollte in der Lage sein, einen Teil seiner Einkünfte mit Naturschutz zu erzielen. Müssen wir alle Flächen intensiv bewirtschaften? Nein. Nur dann sollte sich jemand kümmern, so wie ein Förster im Wald. Warum knüpfen wir die Subventionen der Landwirtschaft nicht daran? Der Bauer als Förster der Ökosysteme in der Fläche. Das ist doch mal ein Zukunftsbild.

    Zu Gast: Prof. Dr. Sebastian Lakner, Professor für Agrarökonomie an der Universität Rostock

  • Ja, warum eigentlich? Natürlich, junge Unternehmen, häufig technologiegetrieben, meist von Gründer:innen mit starkem Realisierungsdrang - da ist Potenzial. Vielfach war (und ist?) jedoch das Bild prägend von den Gründer:innen, die auf ein schnelles Wachstum um des Wachstums willen und einen dann noch schnelleren Exit aus sind. Tina Dreimann hält dagegen: Wir stehen vor derart großen Herausforderungen, dafür brauchen wir die Energie, die Start-ups versprechen. Und den Wandel der Konzerne. Und und und.... Eigentlich alles.

    Tina ist Mitgründern des Impact Business Angel Clubs "better ventures". Gemeinsam investieren Business Angels Geld und Vernetzung in neue Unternehmen, die einen Impact versprechen. Viele von ihnen einen Impact auf Klimathemen, etliche auch darüber hinaus. Tina berichtet, dass sie mit ihrem Team in jedem Jahr mehrere tausend Start-ups sichtet, sie nach ihren wirtschaftlichen Erfolgsaussichten bewertet und daraufhin prüft, was ihr Beitrag zu einer positiven Entwicklung ist. Badeanzüge verkaufen und dafür hier und da einen Euro spenden reicht ihr dabei nicht. Sie sucht Geschäftsmodelle, die grundlegend neu gedacht sind, erfolgreich und genau darum positiv in der Wirkung.

    Nur, wie kommen wir ins Tun? Tina fordert einen Bewusstseinswandel. Weg von kurzfristigen Renditeträumen hin zu Substanz und nachhaltiger Wirkung. Die gute Nachricht aus ihrer Sicht: Im Grunde ist alles, was wir brauchen schon da. Vielleicht landen die Investorenmittel noch nicht immer an der richtigen Stelle, aber im Grunde: Die Aufgabe ist verstanden, gute Ideen und talentierte Gründungsteams gibt es mehr als genug. Also: Machen!

    Tina betont dabei: Sie schaut als Optimistin auf die Welt. Wenige Tage im Jahr ausgenommen, an denen sie sich auf das Sofa zur Familie verkriechen möchte. Im Kern, so betont sie: Dieser Optimismus ist etwas anderes als ein schlichter Glaube, es werde schon irgendwie auf wundersame Weise alles gut. Optimistin mit Grund.

    Zu Gast: Tina Dreimann, Mitgründerin und Geschäftsführerin von better ventures

    Start-ups:

    everdrop – Nachhaltiger putzen, waschen und spülen

    OCELL – KI für Walddiagnostik und Management

    BIOVOX – Biokunststoffe

    MEINE ERDE – Reerdigung

  • Die Zeit des Entlarvens ist vorbei. Faktenchecks sind auch vorbei. Fakten sind nicht der Kern des Themas, wenn wir uns mit rechts auseinandersetzen. Sagt Marc Raschke. Der Kommunikator und Journalist sieht ein haarsträubendes Versagen vieler professioneller Medienschaffender. Wenn Caren Miosga zum Start ihrer neuen Talkshow betont, auf jeden Fall auch AfD-Vertreter einladen zu wollen, weil man doch mit ihnen sprechen müsste, sagt Marc: Ihr habt es immer noch nicht verstanden, Ihr macht euch willfährig, ihr macht euch zu einem Lakaien von deren Strategie. Und die lässt sich immer noch mit dem Satz zusammenfassen: Flood the Zone with shit. 

    Warum hält die Zivilgesellschaft nicht dagegen? Das tut sie natürlich mit den aktuellen Demos gegen rechts. Und Marc betont: Wer gegen rechts kämpft, ist nicht linksgrün versifft. Wer gegen rechts kämpft, ist vernünftig. Aber warum kommt kein Milliardär daher und Sponsor eine Task Force Demokratie, die mehrere Jahre einfach dagegen halten kann. Die die Zone mit Katzenbildern flutet, damit die braune Brühe nicht eindringen kann.

    Im Grunde ist es nicht schwer zu analysieren. Wir sehen false Balance im Umgang der Medien mit rechts. Das aber überall. Marc fordert genau das Gegenteil: Kein Bühne mehr für rechts. Dass das jetzt so salonfähig wird, hat auch damit zu tun, dass wir die Salons öffnen. Die Talkshows. Die Titelseiten. 

    Die Parteien haben die aktuell wirksamen Mechanismen schon vor zehn Jahren präsentiert bekommt. Allerdings haben sie es durch die Bank nicht verstanden und verschlafen. 

    Was wir brauchen, ist eine Doppelstrategie: Im persönlichen Gespräch überzeugen und gewinnen - und im öffentlichen Diskurs klar abgrenzen, keinen Raum geben und mehr noch: Nicht über jedes Stöckchen springen, sondern selbst die Themen setzen.

    Zu Gast: Marc Raschke, Journalist, PR-Experte, Kommunikator, Influencer

  • Kommen wir eigentlich Vorrang im Kampf gegen Hass und Hetze im Unternehmen? Gerald Hensel gehört zu den Mitgründern von HateAid. Die NGO unterstützt Opfer von Hass im Internet und berät die Politik. Gerald sagt: Unser Umgang mit Hass im Netz ähnelt der Situation des Umweltschutzes in den 50er und 60er Jahren. Schön fand die Umweltsauereien damals auch schon keiner, es galt aber als normal. Inzwischen ziehen wir die Grenzen zu Recht anders. Ähnlich im Netz: Als Gerald vor einigen Jahren selbst Opfer eines Shitstorms wurde, bekam er immer wieder den Rat, sich einfach online nicht zu exponieren. Wer keinen kurzen Rock trägt ... Zum Glück hat sich die Diskussion inzwischen weiterentwickelt.

    HateAid treibt Prozesse voran, wie den gegen Meta, der die Mutter von Installationen und Facebook verpflichtet, im Grunde gleichen Beleidigungen und Lügen selbst zu finden und zu löschen. Gerald betont: Eigentlich war das immer ein Unding. Ein Gericht verbietet eine Behauptung, die ein User auf einer grünen Kachel bei Instagram teilt. Dann kommt der nächste und teilt dieselbe Beleidigung auf einer roten Kachel - und darf das? Die Politik der vermeintlich kleinen Schritte ist erfolgreich, so Gerald.

    Michael und Gerald sprechen über die aktuelle Protestwelle gegen rechts. Haben wir ein aktualisiertes Bild der Rechten? Viel zu oft, so Gerald, tragen wir immer noch das Bild der Skinheads der 90er im Kopf herum. Das reicht nicht, nicht jeder Nazi sieht so aus. Die Rechten haben sich seither entwickelt, unsere Bilder nicht. Das ist ein Problem.

    Was wir brauchen, ist mehr als das Engagement der Politik. Die Unternehmen sind mindestens ebenso gefragt. Wann kommt der erste DAX30-Konzern und positioniert sich nicht nur politisch gegen rechts und die AfD, sondern geht ganz praktisch hin und finanziert einer NGO eine marktgerecht bezahlte Juristenstelle? Oder strategisches Marketing? In keiner Bilanz eines DAX-Konzerns würde sich eine Spur davon finden ....

    Und was kommt nach der Protestwelle? Michael und Gerald stimmen schnell überein: Demonstrieren gegen rechts ist sinnvoll und richtig. Aber die Welle wird abebben - und dann? Gerald schlägt vor: Wer etwas tun will, soll heute noch eine Spende an eine integrativ wirkende Organisation tätigen. Besser noch einen Dauerauftrag einrichten. Anschließend NICHT darüber bei LinkedIn schreiben. Es einfach tun und dann mal wieder demonstrieren gehen.

    Wir sammeln bei LinkedIn und Instagram Organisationen, an die man hier denken könnte. Du weißt noch eine weitere? Schreib sie dazu. Auf jeden Fall im Rennen, neben HateAid: Sozialhelden von Raul Krauthausen und Sanktionsfrei von Helena Steinhaus. Machen wir unsere Welt ein Stück besser und wirken der Spaltung ganz handfest entgegen.

    Zu Gast: Gerald Hensel, Co-Gründer und Managing Partner der Marketing Beratung superspring Marketing Consulting, Co-Gründer der Hatespeech-NGO HateAid

  • Benjamin Friedrich, Gründer und Herausgeber von KATAPULT, ist wieder zu Gast bei Michael. Die beiden sprechen über den Aufstieg der Rechten im Land und die Rolle der Medien dabei. KATAPULT wird von anderen Medien immer noch und immer wieder dafür kritisiert, eine klare Haltung gegen rechts zu zeigen. Sicher ist: Sollte es eine Brandmauer in den Medien gegeben haben, ist sie nicht mehr vorhanden. Rechte Position werden wie selbstverständlich diskutiert - als seien sie diskutable Positionen. Die großen Medien selbst haben hier ihren Teil aktiv dazu beigetragen. Sprachlich sind die Trennlinien eingebrochen. Auch damit schafft es die AfD, mit der Mitte der Gesellschaft eine Verbindung aufzubauen, ein wesentlicher Teil ihres Erfolgskonzepts.

    Benni berichtet von seinem Erschrecken, dass Menschen wie Michel Friedman inzwischen wieder einen stets gepackten Koffer zuhause stehen haben. Die Übernahme politischer Macht durch die AfD wäre für Benni ein triftiger Grund, über eine Ausreise nachzudenken. Von der AfD regiert zu werden, ist keine Option.

    Benni gibt ein ausführliches Update zu KATAPULT. War das Brechen von Regeln für den Verlag immer Teil des Erfolgs, gilt das für die beinahe-Insolvenz des vorigen Sommers umso mehr. Benni beschreibt, wie gerade in Krisenzeiten die bedingungslose Transparenz wieder zum Erfolg führte, wie die entwaffnende Offenheit des Verlags und seines Gründers es erst ermöglichte, dass jede Menge Menschen sich entschlossen zu helfen. Ganz offenbar gab es genügend Menschen im Land, die eine Welt mit KATAPULT wollen - und dafür sogar bereit waren, Grashalme im Shop zu bestellen. Bis zur Insolvenz waren sie immer nur von Erfolg zu Erfolg geeilt, wie Benni es ausdrückt: Bis dahin waren sie mit der transparenz immer nur Angeber. Die radikale Transparenz in der Krise führte aus der Insolvenz.

    Zu Gast: Benjamin Fredrich, Gründer und Herausgeber von KATAPULT

  • All ihr Rechtsextremen mit AfD- oder sonstigem Parteibuch: Verschwindet einfach.

    Wir wollen mit euch nichts zu tun haben. Aber auch rein gar nichts. Ihr verstopft unsere Aufmerksamkeit mit eurem menschenverachtenden und widersinnigen Gerede. Wir werden es hier nicht wiedergeben, schon das wäre verschwendete Zeit und würde unterschwellig doch die Botschaft verbreiten, an eurem braunen Geschwafel wäre irgendetwas diskutabel. Das ist es nicht. Ihr stellt euch außerhalb von Grundgesetz und Zivilisation. Fein, eure Entscheidung. Bleibt halt dort und verrottet mit euresgleichen. Staatsanwälte haben gute Gründe, mit euch zu sprechen. Wir nicht.

    Dies ist ein freies Land mit einem stabilen demokratischen Fundament. Und wir haben genug zu tun. Wir haben die Klimakatastrophe einzudämmen und uns zugleich vor deren Folgen schützen. Wir haben Wirtschaft und Gesellschaft angesichts von Technologie, Demographie und einer grundlegend veränderten Arbeitswelt zu transformieren. Wir haben Diktatoren in ihre Schranken zu weisen. Es geht uns um eine Zukunft mit Entwicklung, Wohlstand und Frieden. Für den hundertsten Aufguss eurer völkischen und nationalistischen Wahnvorstellungen haben wir nicht auch noch Zeit. Wobei ihr gewiss sein könnt, dass wir uns stets die nötige Zeit nehmen werden, unsere Freiheit gegen euch zu verteidigen. Das nennt sich wehrhafte Demokratie.

    Wir wollen euch nicht unter unseren Kunden. Wir wollen euch nichts als Partner. Wir wollen euch nicht in unserem Leben. Verschwindet einfach.

    Erwähnungen:

    #162 Sebastian Klein – Die wachsende Ungleichheit ist kollektiver Selbstmord

    #133 Wolfgang Cramer – Nur globale Gerechtigkeit sichert unser Überleben

    #168 Marcel Fratzscher - Wohlstand statt Wachstum

    #138 Chris Pyak – Deutschland fehlt der Immigrant Spirit

    Hans Joachim Schellnhuber, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) und Professor für Theoretische Physik an der Universität Potsdam

    Verfassungsblog: AfD-Verbotsverfahren als demokratische Pflicht, Prof. Dr. Andreas Fischer-Lescano

  • "Bürgerliche Mitte", so der Name einer zentralen (natürlich!) Gruppe in unserer Gesellschaft. Sagen die Soziologen. Sie sagen auch: Diese Mitte hat lange zwei zentrale Funktionen erfüllt. Sie bot Stabilität und war zugleich auf Entwicklung aus. Keine Revolution, aber Fortschritt war hier immer etwas positives. Inzwischen kippt die Stimmung in dieser Mitte, sagt Silke Borgstedt, Geschäftsführerin des SINUS-Instituts. Ihr Institut untersucht laufend die sogenannten Sinus-Milieus, ihre Vorlieben, ihr Verhalten, ihre Einstellungen.

    Eine zentrale Erkenntnis aus dem Gespräch: Das Leben mit Veränderung ist nichts für die Mitte. Entwicklung Schritt für Schritt bei stabilen Rahmenbedingungen, das ja. Aber wenn auf einmal vieles in Frage steht, wechselt das Bild. Wenn die Bürgerliche Mitte nicht mehr genau weiß, was eigentlich "normal" ist - und schon gar nicht mehr selber definieren kann, was "normal" sein soll, quasi die Hoheit über Normalität verliert, dann werden Veränderungstreiber zu Blockierern.

    Wenn die Mitte sehen muss, wie andere Gruppen Themen wie Nachhaltigkeit für sich längst normalisiert haben, sich auf einmal wie eine Gruppe fühlt, der man das erst noch erklären muss, dann entsteht ein Gefühl der Bevormundung. Das führt mindestens zu Anstrengung und Erschöpfung und raubt die Motivation.

    Wenn wir immer wieder das Gefühl haben, der gesellschaftliche Dialog zerfällt in lauter Einzelteile. Wenn wir erleben, wie sich unterschiedliche Gruppen aus der Distanz anbrüllen, anstatt über gemeinsame Lösungen zu verhandeln, dann kann das auch mit der veränderten Rolle und Stimmung in der Mitte zu tun haben.

    Silke bleibt optimistisch. Es geht um Anschlussfähigkeit an die Mitte und die kann auf viele Weisen hergestellt werden. Im Konkreten und Lokalen, wo es eine Selbstverständlichkeit ist, sich einzubringen und zu beteiligen. Dazu alles, was Orientierung und stabile Rahmen verspricht. Von der Roadmap für Entwicklungen bis hin zu Elterngeldrechnern auf der Webseite eines Ministeriums.

    Zu Gast: Dr. Silke Borgstedt, Geschäftsführerin des SINUS-Institut

  • Wollen wir heute etwas besser werden, etwas relevantes lernen? Wer würde dazu schon nein sagen? Allein: Tun wir das jeden Tag? Stattdessen haben wir mühsame eLearning-Programme und immer noch Seminare zur Weiterbildung. Schon der Begriff „Berufliche Weiterbildung“ hat den Charme eine Drei-Sterne-Tagungshotels in Ostwestfalen. Basti Koch sagt: Das geht besser. Wir können Lernen digital machen und uns auf relevantes konzentrieren. Seine Lösung heißt „sparks“ und verspricht, den ganzen Prozess zu personalisieren. 

    Michael und Basti diskutieren intensiv, was wir denn wirklich lernen sollten. Welche sind die „Future Skills“, die wir alle drauf haben sollten. Alle, unabhängig von Aufgabe und Tätigkeit, unabhängig auch von der weiteren technologischen Entwicklung. Basti nennt Dinge wie Kreativität, kritisches Denken, Problemlösung, Resilienz. Diese Themen sind allesamt nicht neu. Basti sagt: Wir sind auf diesen Strecken durchaus vorgekommen. Die Themen sind nur nicht endlich - da geht mehr.

    Die wirklich relevanten Fragen von Gegenwart und Zukunft haben eines gemeinsam: Niemand kann sie alleine lösen. Daraus folgt: Future Skills sind vor allem solche Fähigkeiten, die auf eine Zusammenarbeit zwischen Menschen zielen. Das ist der eine große Schlüssel.

    Hinderlich sind, wie so oft bei Zukunftsfragen, die Bilder, die wir im Kopf tragen. In diesem Fall: Wir glauben durchgängig, Menschen müssten zunächst ihr Expertenwissen als Bankkaufleute, Tischler, Ingenieure erwerben - und anschließend geben wir noch ein paar Runden Soft Skills hinzu. Sollten wir es nicht umdrehen? Wie sähe unsere Welt aus, wenn wir Menschen zu allererst herausragend in Future Skills ausbilden. Das nötige Expertenwissen kommt schon noch dazu. Das ist ja auch das, was im Zweifel ständig veraltet, zum Teil gar wertlos wird. Man frage hierzu einmal bei Ingenieuren in der Motorenentwicklung nach. Erst dann ist der Gedanke der Future Skills wirklich weit genug gedacht. 

    Also dann: Ran ans Lernen! Heute schon etwas dabei?

    Zu Gast: Basti Koch, Director Product, sparks by Haufe Akademie

  • Die Baubranche ist es. Sie ist die eine mit Abstand größte Quelle für CO2-Ausstoß. 40% des Mülls, der in Deutschland anfällt, stammt aus dem Bau. Lisa Weise-Hoff und ihr Startup Hejmo Homes sind angetreten zu zeigen, dass es auch anders geht. Sie fertigen Häuser aus Modulen. Michael und Lisa sprechen darüber, warum auch darin die Zukunft von Bauen und Gebäuden liegt.

    Die Baubranche ist es. Sie ist reif für Transformation. Die Technologie ist da. Die Prozesse sind da, die Materialien auch. Lisa sagt: Der Wandel in der Baubranche ist kein Hexenwerk und kein Flug zum Mond. Es geht ums Tun. Und um den Mut, mit bisherigen Gewohnheiten zu brechen.

    Beispiel Material: Gebäude der Zukunft sind rückbaubar, Materialien wieder voneinander zu trennen. Damit wird von ganz alleine Kreislaufwirtschaft möglich. Ja, Beton scheidet damit aus.

    Beispiel Prozesse: Für jedes neue Haus eine gesonderte Produktionsstätte aufbauen und hinterher wieder abräumen? In keiner anderen Industrie kämen wir auf diese Idee. Das Bauen der Zukunft setzt auch deshalb auf Module, weil man sie an zentraler Stelle fertigen kann, in der Ausbaustufe sogar automatisiert. Vor Ort werden die Teile nur noch verschraubt. Lisa sagt: Eine Woche nach Baubeginn kann man einziehen.

    Lisa berichtet auch von ihrer Erfahrung mit den ach so gesuchten Fachkräften. Wenn die Baustelle nicht jedes Mal woanders und der Arbeitsplatz bei Regen, Sturm und Hitze draußen ist, sondern die Produktion in einer warmen Fabrikhalle stattfindet, ist die Suche nach Fachkräften auf einmal ganz leicht.

    Wie werden unsere Städte in Zukunft aussehen? Eines scheint sicher: Das Modell mit den unterschiedlichen Städten zum Wohnen, Arbeiten und Versorgen hat ausgedient. Und damit auch die nächste austauschbare Siedlung mit den ewig gleichen Eigenheimen. Wenn wir tatsächlich klimatisch verantwortlich und sinnvoll bauen wollen, führt an mehr Mehrfamilienhäusern kein Weg vorbei. Und in den Städten damit an Sanierung. Das ist der Elefant im Raum, das eigentlich große Thema, an das die Branche herangehen müsste. Nein, sagt Lisa: Herangehen wird.

    Zu Gast: Lisa Weise-Hoff, Co-Founder & GF von Hejmo Homes

  • Das ist große Samstagabend-Unterhaltung für die ganze Familie! Leider hat Thomas Gottschalk kurzfristig seine Karriere beendet, weil er angeblich nicht mehr alles Schmierige im Fernsehen sagen darf, was ihm gerade so durch den Kopf geht. Naja, dann eben wieder Suchtpotenzial. Wie jedes Jahr. 

    Ariane Müller und Julia Gámez Martin sind die feste Säule dieses Podcasts zum Jahreswechsel. Sind sie Team Raclette oder Team Fondue? Eher Team Roxy. In dem Club in Ulm spielen die beiden an Silvester eine Doppelfolge. Das Festtagsmenü wird wohl aus einer kalten Pizza in der Künstlerinnengarderobe bestehen. 

    Was tut Not fürs neue Jahr? Klarheit. Nazis auch mal als Nazis bezeichnen. Dem Onkel, der wie jedes Jahr im Familienkreis seine rassistischen Sprüche klopft, auch mal widersprechen. Ariane hat einen veritablen Shitstorm von rechts erlebt im vergangenen Jahr. Kein heißer Tipp für empfindsame Gemüter. Arianes Antwort ist Punk. Trotz. Ist wahrscheinlich nicht jedem Menschen gegeben, insofern Augen auf bei der Shitstorm-Bestellung. 

    Das Buch, das Julia ihrem Vater geschenkt hat, heißt "Exit Racism" und ist von Tupoka Ogette.

    Zu Gast: Ariane Müller und Julia Gámez Martin von Suchtpotenzial

  • Sprechen wir doch einmal darüber, Gutes zu tun. Passend zur Weihnachtszeit. Wobei: In welcher Jahreszeit genau fänden wir es unpassend, Gutes zu tun? Nun ist aber nun einmal gerade Weihnachten, Michael hat Aileen Puhlmann vom Lemonaid & Charitea e.V. zu Gast und die beiden sprechen über Charity, bzw. natürlich Charitea und was es bedeutet, eine positive Wirkung zu erzeugen. 

    Das Prinzip bei Lemonaid ist einfach: Vom Ertrag jeder Flasche geht eine fixe Summe an Aileen, die mit ihrem Team daraus wiederum Projekte in genau den Ländern finanziert, aus denen die Limonadenproduktion ihre Rohstoffe bezieht. 

    Aileens These ist ebenso einfach. Sie sagt: Die Pflicht muss ohnehin jedes Unternehmen erfüllen. Also: Nachhaltige Lieferketten aufbauen, für anständige Löhne in den Herkunftsländern sorgen, partnerschaftlich und fair mit Lieferanten und Produzenten umgehen. Hinzu kommt die neue Aufgabe: Jedes Unternehmen, jede Organisation muss sich fragen, wie sie darüber hinaus die Welt ein Stück besser machen kann. Weil sie es kann. 

    Mit diesem Anspruch geht in Aileen in Länder wie Madagaskar und finanziert Projekte. Dafür gibt sie Geld und sonst nicht viel, beides mit voller Absicht. Das Geld ermöglicht Dinge, die ohne Lemonaid schlicht nicht möglich wären - und das Geld ist ungleich verteilt. Michael und Aileen sprechen darüber, wie schwierig es ist, daraus nicht gleich abzuleiten, die Menschen in den Förderländern wären weniger professionell, verantwortungsbewusst oder kompetent. 

    Aileen wird oft gefragt, wie Lemonaid sicherstellt, dass das Geld auch an der richtigen Stelle ankommt. Meist führt das zu interessanten Diskussionen darüber, warum wir bei Spenden und Unterstützung so peinlich genau wissen wollen, was mit dem Geld geschieht - und unzureichend besteuerte Großvermögen schulterzuckend akzeptieren. Oft trifft Aileen auf die Erwartung, Projekte dürften nur eine Anschubfinanzierung bekommen und müssten sich nach wenigen Jahren selbst tragen. Aber warum muss jedes für die Gesellschaft sinnvolle Projekt immer ein gewinnorientiertes Unternehmen sein? 

    Der in der Folge erwähnte Podcast mit Micha Fritz findet sich hier. 

    Zu Gast: Aileen Puhlmann, Vorständin von Lemonaid und ChariTea e.V.

  • Wahrscheinlich muss man es einfach herunterbrechen: Wir haben nur einen Planeten und mit dem müssen wir auskommen. Mit dem Planeten und dem, was darauf ist. Das kann sogar ein CEO verstehen, wenn er im Geschäft bleiben möchte. Nur je später wir anfangen, desto schwieriger wird es. Also wäre es doch ganz gut, heute anzufangen, sagt Martin Bethke, Autor, Berater und Speaker rund um das Thema Nachhaltigkeit. 

    Die Frage der Nachhaltigkeit ist im Grund ganz schlicht: Kann ich das, was ich da draußen tue, eigentlich vor mir selber verantworten? Und wenn nein, warum handele ich dann nicht jetzt schon? Das Problem sind aber oft die Denkmuster dahinter. Was sichert unseren Wohlstand? Was ist Wachstum? Letztlich auch: Was ist wirklich wichtig, was wollen wir erreichen? Unsere üblichen Denkmuster stehen uns schon gehörig im Weg, wenn wir über Nachhaltigkeit reflektieren. Tenor: Kann ja sein, dass die Möglichkeiten begrenzt sind; ich möchte trotzdem viel, sollen die anderen halt weniger nehmen - und übrigens bin ich so ein toller CEO, weil ich genau das kann: Auf Kosten anderer leben.

    Was treibt die Nachhaltigkeit? Martin setzt auf einen Dreiklang aus Wissen (Stichwort: Earth Overshoot Day), erwünschter Langlebigkeit (Was wollen wir der nächsten Generation hinterlassen?) und Regulatorik. Letzter wirkt wahrscheinlich am stärksten. Dennoch ist, wer immer sich für Nachhaltigkeit einsetzt, oft ein eher ungewollter Akteur. Letztlich halten wir uns mit der Forderung nach mehr Nachhaltigkeit ja auch den Spiegel vor: Gerade weil wir seit Beginn der Industrialisierung nicht nachhaltig gewirtschaftet und gelebt haben, müssen wir nun umso mehr die Transformation suchen. Es möchte eben nicht jeder daran erinnert werden, dass wir uns die Suppe selbst eingebrockt haben. 

    Martin plädiert für einen pragmatischen Optimismus: Wir schaffen das, wir können in der Transformation hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft und Gesellschaft weit genug kommen und auch schnell genug sein. Wir haben das nötige Ambitionsniveau, wir haben die Erkenntnisse. Das Problem ist einzig die Umsetzung. Das aber, sagt Martin, ist auch eine gute Nachricht, denn wir haben es in der Hand. Wir müssen es nur tun. 

    Die erwähnte Folge mit Marcel Fratzscher ist Folge 168 dieses Podcasts. 

    Zu Gast: Martin Bethke, Autor, Berater und Speaker zur Nachhaltigkeit

  • Meine Superkraft? Kenne ich sie? Und kann ich sie ausleben, in meinem Beruf und in meinem Alltag nutzen, sie entwickeln und mich daran freuen? Michael und Fredrik führen ein gar nicht so typisches Gespräch über Bildung, Lernen, Schule - und die Superkraft. Fredrik Harkort ist Gründer und Kopf von Cleverly. Das Startup unterstützt Kinder und Jugendliche beim Lernen, mit Inhalten und mit Persönlichkeitsentwicklung. Das erste ist bekannter, das zweite wichtiger, sagt Fredrik.

    Fredriks These: Jedes Kind hat eine Superkraft und da muss Lernen ansetzen. Dieser Gedanke ist, gemessen am heutigen Bildungssystem, geradezu revolutionär. Wir setzen auf Standards, auf feste Lehrpläne und abstrakt definierte Kompetenzen, die möglichst alle erwerben sollen - und zwar möglichst gleich. Das Gegenmodell: Du kannst etwas, lerne es kennen und mache etwas draus. Was fast nach den Schreiereien der üblichen Motivationsredner klingt, meint hier: Unterstütze dein Kind bei dem, was ohnehin als Talent in ihm liegt. Nicht der Dienstwagen, die ungewollte Führungsposition, die Karriere, die die Eltern nie hatten, macht auf Dauer glücklich. Jedenfalls nicht jede:n.

    Das wäre dann übrigens auch eine kluge Antwort auf vermeintlich übermächtige Gesellschaftsmodelle wie das chinesische: Massenhaft individuell geförderte Persönlichkeiten.

    Übrigens: Alles, was Fredrik und Michael über Schule und Lernen von Kindern und Jugendlichen besprochen haben, gilt uneingeschränkt auch für Erwachsene, zu jeder Phase ihres Lebens. Daher hier die Hausaufgabe für alle, die diesen Podcast hören (und für alle anderen auch, es sei denn, sie haben eine Entschuldigung von den Eltern): Finde deine Superkraft. Lerne, darüber zu sprechen: Ich kann .... besonders gut und es bereitet mir Freude. Bonusaufgabe für die Zusatzpunkte: Passt dein Beruf, dein wesentlicher Lebensinhalt dazu?

    Zu Gast: Fredrik Harkort, Gründer von cleverly