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  • Der Kosmos der kleinsten Lebewesen auf dieser Welt ist noch weitgehend unbekanntes Terrain. Die Wissenschaft kennt derzeit rund 19.000 unterschiedliche Arten von Mikroorganismen, aber es gibt tatsächlich bis zu einer Milliarde. Dementsprechend vielfältig zeigen sich die Bakterien, die mikroskopisch kleinen Pilze und Algen – denn sie hatten vier Milliarden Jahre für ihre Evolution, also viel, viel länger als die Tiere und Pflanzen auf dieser Erde.

    Als Professor für Mikrobiologie an der TU Braunschweig und Wissenschaftlicher Direktor der Deutschen Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen (DSMZ) erforscht Jörg Overmann dieses mit dem bloßen Auge nicht sichtbare Reich. Die Einzeller verhalten sich anders als größere Organismen, eben weil sie so klein sind. Ihr Stoffwechsel läuft viel schneller ab – in ihnen, so könnte man sagen, pulsiert geradezu das Leben.

    Viele Menschen halten Mikroorganismen aber für „böse“. Tatsächlich können manche Bakterien Krankheiten auslösen, doch viele verrichten auch für den Menschen sehr nützliche Dinge. Sie erweisen sich zudem sehr flexibel, wenn es darum geht, ökologische Nischen zu besetzen, und alleine die enorme Größe einer Bakterienpopulation mit Millionen von Milliarden Zellen sorgt dafür, dass an für sich seltene genetische Änderungen eben doch sehr häufig auftreten und die Evolution vorantreiben.

    Jörg Overmann wurde mit dem Wissenschaftspreis „Forschung in Verantwortung“ 2022 ausgezeichnet, den der Stifterverband auf Vorschlag der Leibniz-Gemeinschaft vergibt.

  • Was ist eigentlich Wissen? Was auf den ersten Blick wie eine ganz triviale Frage wirkt, berührt den Kern menschlicher Erkenntnis. Die Philosophie, die diesen Begriff seit Jahrtausenden auslotet, bewegt sich keineswegs nur in akademischen Sphären, sondern ist ganz aktuell, wenn man das Problem anders formuliert und die Frage stellt: Was sind Fake News?

    „Philosophie kann lebensfern wirken, ist es aber nicht“, sagt Markus Schrenk, seit 2014 Professor für Theoretische Philosophie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Gemeinsam mit einem Team aus Lehrenden und Studierenden hat er das Projekt denXte ins Leben gerufen. Die Idee: Bürgerinnen und Bürger ohne Vorkenntnisse für philosophische Zusammenhänge zu begeistern. Das Mittel dazu ist ein ganzes Bündel an Aktivitäten, von klassischen Abendveranstaltungen über Videos bis hin zu sozialen Medien und Livechats.

    Philosophie, so kristallisiert sich heraus, ist eine Art Universallehre, die – ähnlich wie die Mathematik – verspricht, Klarheit über die Welt zu verschaffen. Bei der Beschäftigung mit Fragen von Wahrheit, Überzeugung und Handeln wird deutlich: Philosophie steckt im täglichen Leben. Ethik etwa ist für politische Entscheidungen und in der Rechtsprechung bedeutsam. Oder die Entwicklung von Computern wäre ohne das philosophische Konzept von Logik undenkbar gewesen.

    Der Stifterverband und die Deutsche Forschungsgemeinschaft haben das Projekt denXte im Jahr 2022 mit dem Communicator-Preis für herausragende Wissenschaftsvermittlung ausgezeichnet.

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  • "Jedes Kind soll einmal programmiert haben, bevor es sich für einen Beruf entscheidet." So lautet das Ziel, das sich die Hacker School gesetzt hat. In Hamburg beheimatet, aber deutschlandweit aktiv, wendet sich die gemeinnützige GmbH vor allem an Jugendliche im Alter zwischen elf und 18 Jahren. Die Kursangebote – als Teil des Unterrichts oder außerschulisch in Kooperation mit Unternehmen – geben Impulse für die spätere Berufswahl. Insbesondere Mädchen helfen sie, Barrieren zu überwinden und das Thema IT für sich zu entdecken.

    Julia Freudenberg, Leiterin der Hacker School, ist Feuer und Flamme für ihre Mission, Jugendliche fürs Programmieren zu begeistern. Und das geht einfach durch Ausprobieren: Ohne Notendruck können die Schülerinnen und Schüler für eine praktische Aufgabe ihren eigenen Lösungsweg finden – eben einen Hack. Und mit dem Erfolgserlebnis stellt sich die Erkenntnis ein, dass Programmieren einfach eine coole Sache ist.

    Die Hacker School ist 2014 gestartet und wird alleine in diesem Jahr rund 12.500 Jugendliche erreichen. Sie setzt auf ein großes Netzwerk, in dem auch zahlreiche Unternehmen mittels Corporate Volunteering eingebunden: Oft sind es Auszubildende, die einen IT-Beruf erlernen und als sogenannte Inspirer die Kurse leiten. Sie sprechen auf Augenhöhe mit den Jugendlichen und zeigen: Programmieren ist mehr als Code schreiben. Man braucht Kreativität, Kommunikation, Kollaboration und kritisches Denken – oder kurz: Future Skills, um die digitale Welt mitgestalten zu können.

    Der Stifterverband hat die Hacker School 2021 im Rahmen der Initiative ""digital.engagiert"" gefördert und als Bildungsort des Monats ausgezeichnet.

  • Das Heulen eines Wolfrudels, ein frühmorgendliches Vogelkonzert, der Gesang der Wale oder das Trommeln einer Wolfsspinne: Mit der Art und Weise, wie die Tierwelt von sich hören lässt, befasst sich die Bioakustik – eine Spezialdisziplin der Zoologie. Am Berliner Museum für Naturkunde existiert eine der drei weltweit größten Sammlungen mit ca. 120.000 Aufnahmen von Tierstimmen. Karl-Heinz Frommolt ist wissenschaftlicher Leiter dieses Archivs.

    So vielfältig die Fauna kommuniziert, so unterschiedlich erzeugen die Tiere diese Laute. Viele Wirbeltiere modulieren mit dem Luftstrom in einem Kehlkopf ihre Stimme, wie eben auch der Mensch. Es gibt aber auch andere Mechanismen: Insekten etwa produzieren Schall, indem sie Körperteile aneinanderreiben: So entsteht beispielsweise das für Grillen typische Zirpen. Eine erstaunliche Variabilität legen Vögel an den Tag, die auch den Gesang fremder Arten in ihr eigenes Repertoire einbauen. Der in Australien beheimatete Leierschwanz besitzt ein so ausgeprägtes Stimmorgan, dass er auch Geräusche aus der menschlichen Zivilisation täuschend echt nachahmen kann, wie etwa das Surren einer Kamera oder eine Alarmanlage.

    Nützlich erweist sich das Tierstimmenarchiv beispielsweise für die Verhaltensforschung, wenn Biologen in Playback-Experimenten untersuchen, wie Tiere auf bestimmte Laute reagieren. Es wird für künstlerische Zwecke sowie natürlich für Bildung genutzt und zuletzt auch, um durch das automatische Erkennen von Arten zum Monitoring der Biodiversität beizutragen.

  • Medizinische Erkenntnis durch Auswertung von Patientendaten aus verschiedenen Quellen – oder Schutz sensibler, persönlicher Informationen vor Weitergabe an Dritte: Das sind zwei berechtigte Anliegen, die meist nur schwer unter einen Hut zu bekommen sind. Der Weg, alle relevanten Daten in einen Topf zu werfen und auszuwerten, ist oft aus rechtlichen Gründen verbaut.

    Doch es gibt eine Alternative, die den Konflikt zwischen Kollaboration und Datenschutz auflösen kann. Das Federated Secure Computing genannte Verfahren setzt darauf, dass die Daten quasi ihren Heimathafen gar nicht verlassen. Wenn etwa mehrere Forschungseinrichtungen ihre jeweiligen Datenbestände analysieren, tun sie das für sich parallel auf dieselbe Methode und führen dann ihre Ergebnisse zusammen. Das ist kryptografisch abgesichert, so dass sich keine Rückschlüsse auf einzelne Originaldaten ziehen lassen. Und die Resultate sind im Endeffekt genauso gut wie bei einer gemeinsamen Datenbasis.

    Hendrik Ballhausen von der Ludwig-Maximilians-Universität München ist einer der Köpfe dieses innovativen Projekts, das vom Stifterverband im Rahmen der Initiative „Wirkung hoch 100“ gefördert wird. Die zugrunde liegenden mathematischen Verfahren gibt es schon seit den 1970er-Jahren. Neu ist der Open-Source-Ansatz, dieses verteilte Rechnen in schlanke, effiziente Anwendungen zu verpacken, um zum Beispiel Korrelationen in Daten zu erkennen. Dies nutzt nicht nur der medizinischen Forschung, sondern könnte etwa auch in der Wirtschaft zur Erstellung von Branchen-Benchmarks dienen – wenn Unternehmen, die miteinander im Wettbewerb stehen, ihre Daten einfließen lassen, ohne sie aus der Hand zu geben.

  • Vor 11.000 Jahren kam es in der Eifel zu einer gewaltigen Eruption: Der Ausbruch des Vulkans, an dessen Stelle sich inzwischen der Laacher See befindet, verwüstete weite Landstriche. Eine Lawine aus glühender Lava wälzte sich zu Tal und türmte sich zu einem hundert Meter hohen Damm, der den Mittelrhein in einem Gebiet vom heutigen Koblenz bis nach Mainz zu einem See aufstaute.

    Auch wenn gerne das Gegenteil behauptet wird, weil die Eifel-Vulkane alle scheinbar friedlich ruhen: Ganz erloschen sind die vulkanischen Aktivitäten in Westdeutschland keineswegs, so Hans-Ulrich Schmincke. Er gilt als einer der weltweit führenden Vulkanologen. Zunächst in den USA und dann als Professor an den Universitäten in Bochum und Kiel hat er sich von 1969 bis zu seiner Emeritierung 2003 diesem Forschungsgebiet intensiv gewidmet.

    Der Vulkanismus, bei dem geschmolzenes Gestein aus den heißen Erdinneren an die Oberfläche aufsteigt, ist ein vielschichtiges Thema. Zum Beispiel gibt es Unterschiede in der chemischen Zusammensetzung des hochgedrückten Materials, und dies wiederum entscheidet über die Art des Ausbruchs. Schmincke (Jahrgang 1937) berichtet auch von seinen wissenschaftlichen Reisen, die ihn nicht nur zu den jetzt mit Wasser gefüllten Kratern in der Westeifel geführt haben, den „Maaren“. Auf Hawaii und den Kanarischen Inseln etwa hat er aktive Vulkane vor Ort untersucht. Und er erzählt von der ohrenbetäubenden Erfahrung, wenn man einen frischen Lavastrom aus der Nähe beobachtet – einem Lärm, als würde man neben einem Düsenjet stehen.

  • Diese Idee für die Energeiewende in der Stadt ist ebenso einfach wie bestechend: Auf den Dächern gibt es jede Menge ungenutzter Platz für Photovoltaik. Auf Mietshäusern werden nun Solaranlagen installiert, um den damit erzeugten Strom direkt im Haus zu verbrauchen. Hauseigentümer und Wohnungsgesellschaften übernehmen dabei die Initiative und wollen die saubere Energie an die Mieterin und den Mieter bringen. Doch das Berliner „Mieterstrom“-Projekt ist erstaunlicherweise kein Selbstläufer.

    Seit 25 Jahren lehrt Andrea Rumler Marketing, seit 2012 als Professorin an der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) Berlin. Sie leitet das Forschungsprojekt „MieterstromPlus“, um das Potenzial der für die Hausgemeinschaft erzeugten Solarenergie zu untersuchen – nicht hinsichtlich technischer Machbarkeit, sondern wie sich ihre Vermarktung verbessern lässt. Erste Ergebnisse der Marktforschung zeigen: Personen, die keinen „Mieterstrom“ beziehen, stehen dem Konzept an sich mehrheitlich gar nicht skeptisch gegenüber. Was für Gründe also halten Mieterinnen und Mieter noch davon ab, sich zumindest teilweise mit Energie selbst zu versorgen? Ist es der Preis, der bürokratische Aufwand oder schlicht Zurückhaltung Neuem gegenüber?

    Das Problem: Um eine Photovoltaikanlage auf dem Gebäudedach wirtschaftlich zu betreiben, müssen möglichst viele Mietparteien im Haus mitmachen. Marketing kann hier einen Beitrag leisten, die Energieversorung in einem urbanen Raum ein Stück nachhaltiger zu gestalten.

  • Ist die deutsche Wirtschaft bei Innovationen ganz vorne mit dabei oder ist sie doch zu risikoscheu, um sich immer wieder neu zu erfinden? Man kann schon den Eindruck haben, dass die hiesige Industrie sehr gut darin ist, sich auf Effizienz zu trimmen und Bestehendes immer wieder ein bisschen besser zu machen. Aber wenn es darum geht, den großen Schritt zu wagen, neue Pfade zu betreten, dann bleiben Unternehmen oft lieber in ihrer Komfortzone – bis ihnen die Konkurrenz das Geschäft kaputt macht. Was lange gut funktioniert hat, muss morgen nicht mehr tragen.

    Wenn Konzerne in Experimentallaboren mal wirklich etwas Anderes ausprobieren, bleibt das oft nur ein Feigenbatt. Denn jede Disruption, die eventuell und erst in ferner Zukunft Erträge liefert, passt nicht zu kurzatmiger Gewinnorientierung. Alleine auf die Logik des Marktes zu setzen, wäre wohl zu kurz gegriffen angesichts immensen gesellschaftlichen Handlungsbedarfs. Ob aber der Staat der bessere Innovationstreiber ist? Die Politik kann einen Rahmen setzen, hat allerdings selbst noch Hausaufgaben in Sachen Agilität.

    Es lohnt sich jedenfalls, einmal genauer darüber nachzudenken, wie Innovation entsteht und Wirkung entfaltet. Dafür ist Katharina Hölzle, Professorin für IT-Entrepreneurship an der Universität Potsdam, die richtige Gesprächspartnerin. Vor ihrer akademischen Karriere hat sie das Thema Innovationsmanagement in Großunternehmen und Unternehmensberatung aus anderen Perspektiven erlebt. Und als Mitglied der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) berät sie die Bundesregierung.

  • Das Buch, das Auto, der Computer – alles Neuerungen, die die Welt von Grund auf verändert haben. Doch solche Innovationen fallen nicht einfach vom Himmel, sondern man kann sie in einer frühen Phase hochpäppeln, damit am Ende eine neue Industrie entsteht – womit das Geld, das man anfangs hineingesteckt hat, sich schließlich um ein Vielfaches rentiert hätte. Solche Sprunginnovationen will eine 2019 neugeschaffene Bundesagentur namens SPRIND fördern. Rafael Laguna de la Vera ist ihr Gründungsdirektor.

    Die Bundesrepublik hatte in den 1980ern noch eine eigene Computerindustrie mit Firmen wie Nixdorf oder Siemens. Doch sie wurde früh von den Amerikanern überrollt. Ein anderes Beispiel: Der hiesigen Solarwirtschaft ging durch chinesisches Preisdumping das Licht aus. Von den wegweisenden Erfindungen, die hierzulande gemacht werden, profitieren zu oft andere. Fehlender Zugang zu Kapital spielt dabei eine Rolle, ein wenig innovationsfreundliches Mindset, ein regulatorischer Rahmen, der Neues ausbremst.

    Die Agentur für Sprunginnovationen will solche Fesseln abstreifen und disruptiven Fortschritt anschieben. Gefördert wird keineswegs nur Digitales, auch Energie und Umwelt, Biotechnologie und Medizin sind wichtige Felder. Das Tempo zählt: Geld muss sehr schnell in Zukunftsträchtiges fließen, um vorne mit dabei zu sein. Als Software-Unternehmer und Investor hat Laguna de la Vera (Jahrgang 1964) den Aufstieg der IT-Branche direkt miterlebt. Nun bringt er den Gründergeist und die Lust, etwas verändern zu wollen, in die Leitung einer staatlichen Einrichtung ein, die in ihrer behördenuntypisch agilen Art selbst schon eine Innovation ist.

  • Naturerfahrung, Entspannung und doch zugleich auch der Nervenkitzel, ob etwas anbeißt: Rund 3,3 Millionen Deutsche werfen regelmäßig ihre Angel aus. Ihre Leidenschaft wird aber auch kontrovers gesehen – gefährdet der Fischfang nicht die Bestände und schadet der Umwelt? Robert Arlinghaus ist einer der wenigen Forscher, die sich mit der Angelfischerei wissenschaftlich befassen und dabei Aspekte der Nachhaltigkeit und des verantwortlichen Umgangs mit der Natur in den Blick nehmen. Er meint: Angelvereine sind oft auch Naturschutzvereine, die sich um den Artenschutz kümmern – natürlich auch um eigene Fangerträge zu sichern, aber gleichzeitig können auch sich die Lebensräume verbessern. Angeln liefert also sehr wohl positive Effekte für Gesellschaft und Umwelt.

    Ausgestattet mit einer Professur für Integratives Fischereimanagement an der Humboldt-Universität zu Berlin untersucht Arlinghaus seit Jahren die Zusammenhänge von Binnenfischerei und Gewässerökologie. Ihm ist wichtig, die Forschung „zu den Leuten zu bringen“, also mit den Anglerinnen und Anglern vor Ort zu forschen, und dies zu den für sie relevanten Fragen. Durch die Verknüpfung mit dem Erfahrungswissen der Amateure profitiert seine eigene Forschung, und dank der Einbindung der Praktiker gelingt dann am Ende auch der Transfer der wissenschaftlichen Ergebnisse an die Basis.

    Robert Arlinghaus wurde 2020 vom Stifterverband und der Deutschen Forschungsgemeinschaft mit dem Communicator-Preis für herausragende Wissenschaftskommunikation ausgezeichnet.

  • Komplizierte Formeln und unverdaulicher Zahlensalat: Das ist das Bild, das viele Menschen von Mathematik haben – meist geprägt durch frustrierende Erfahrungen in der Schule. Doch unsere Zivilisation würde ohne eine formale Beschreibung von Phänomenen noch in der Steinzeit stecken.

    Mathematische Strukturen visuell erfahrbar zu machen, ist das große Thema von Jürgen Richter-Gebert, Inhaber des Lehrstuhls für Geometrie und Visualisierung an der Technischen Universität München. Es geht hier nicht um Daten, die als Tortengrafiken serviert werden, sondern um tiefere Zusammenhänge, die sich in Bilder, Animationen oder sogar in eine virtuelle Lernumgebung übersetzen lassen. Zum Beispiel: Wie bewegt sich ein Fischschwarm? Visualisierung hilft, die Regeln, die das Verhalten steuern, im wahrsten Sinne des Wortes zu durchblicken Solch ein Anschauungsmodell selbst zu entwerfen, hilft Studierenden dabei, ein fundamentales Verständnis komplexer Mechanismen zu gewinnen. Dieser Transfer von der abstrakten Formel in ein Modell oder in eine Simulation ist ein gewaltiger Lernschritt, den Richter-Gebert in seiner Lehrtätigkeit in den Mittelpunkt rückt. Visualisierungen sind außerdem ein fantastisches Werkzeug, um durch Ausstellungen oder mit Apps der breiten Öffentlichkeit die Augen für Mathematik zu öffnen.

    Jürgen Richter-Gebert wurde 2021 vom Stifterverband und der Deutschen Forschungsgemeinschaft mit dem Communicator-Preis für herausragende Wissenschaftskommunikation ausgezeichnet.

  • Ohne Kautschuk keine Mobilität, denn kein Fahrzeug kommt ohne Reifen aus Gummi aus. Quelle für den Rohstoff ist meist der Kautschukbaum, der in den Tropen wächst. Doch die Nachfrage steigt und wirft die Frage nach Alternativen auf. Und es gibt tatsächlich eine umweltgerechte Lösung: Auch der Löwenzahn bildet in seinen Wurzeln eine gummihaltige Milch. Allerdings nicht die Pusteblume, die hierzulande im Garten gedeiht, sondern der Russische Löwenzahn – der, nebenbei bemerkt, eigentlich aus Kasachstan stammt. Ihn für die industrielle Produktion nutzbar zu machen, ist nun einem Forschungsteam von der Universität Münster, dem dortigen Fraunhofer Institut für Molekularbiologie und Angewandte Ökologie IME und des Reifenherstellers Continental gelungen.

    Dirk Prüfer, Professor für Pflanzliche Biotechnologie, hat diese Entwicklung federführend vorangetrieben. Es ist nämlich nicht einfach damit getan, die Wildpflanze anzubauen, sondern sie musste erst einmal gezielt weitergezüchtet werden. Der Anteil des Gummi an der der Trockenwurzelmasse ließ sich so von zwei bis drei auf 15 bis 20 Prozent steigern und damit für die industrielle Verarbeitung rentabel machen. Mit dem Kautschuk aus Russischem Löwenzahn lassen sich auf ökologisch verträgliche Weise Produkte herstellen, die denen mit Gummi aus herkömmlicher Fertigung mindestens ebenbürtig sind.

    Das Forschungsprojekt mit seiner innovativen Verbindung aus Biologie, Technik und Landwirtschaft wurde für den Deutschen Zukunftspreis 2021 nominiert.

  • Fast 50 Jahre ist es her, dass die Computertomographie in die medizinische Diagnostik Einzug hielt. Mit ihr wurde es möglich, viel genauer als mit dem klassischen Röntgen in den menschlichen Körper zu schauen. Man konnte damit nicht nur Knochen untersuchen, sondern bekam nun auch viel aussagekräftigere Bilder auch von Organen und Gefäßen. Millionen Patientinnen und Patienten wurden seitdem „in die Röhre geschoben“. Das Verfahren wurde immer weiter verfeinert, doch irgendwann stieß man an technische Grenzen. Die von Siemens Healthineers in Forchheim entwickelte Quantenzählende Computertomographie bedeutet jetzt einen neuen Schub für die CT-Technologie und wurde daher für den Deutschen Zukunftspreis 2021 nominiert.

    Thomas Flohr hat sich praktisch sein ganzes Berufsleben als Physiker mit der Computertomographie befasst und leitet das Forschungsteam, das diese Innovation hervorgebracht hat. In dieser Forschergeist-Folge erklärt er Schritt für Schritt, worin das Revolutionäre dieser Entwicklung liegt. Das neuartige Detektorprinzip schafft nicht nur eine deutlich bessere räumliche Auflösung, sondern erreicht im Bildgebungsverfahren auch eine neue Qualität, die viel präzisere Diagnosen ermöglicht. Vergleicht man das bisherige CT-Verfahren mit einem Schwarzweißbild, erhielte man nun durch die Quantenzählende Computertomographie quasi Aufnahmen in Farbe. Als Tüpfelchen auf dem i wurde auch noch die Strahlendosis erheblich reduziert. Die neue Technik ist keineswegs nur im Labor erprobt, sondern in ersten Kliniken schon im Einsatz und soll ab 2022 generell verfügbar sein.

    Der Deutsche Zukunftspreis wird am 17. November 2021 durch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Berlin offiziell verliehen. Das Team vom Siemens Healthineers ist eines von drei in diesem Jahr nominierten.

  • Er ist eines der populärsten Gesichter der Wissensvermittlung im deutschen Fernsehen: Ralph Caspers kennen Millionen aus der Sendung mit der Maus, „Wissen macht Ah!“ und „Quarks“ – also Bildungsfernsehen im besten Sinne. Doch diese Programme sind keineswegs nur für Nerds, die es cool finden, Neues zu lernen. Ihr Erfolgsrezept liegt darin, die Wissensinhalte unterhaltsam zu verpacken.

    Fernsehen heißt: Geschichten erzählen, und das durchaus mal mit Mut zur Lücke. Denn es hilft nicht, sich in Details zu verlieren, bevor das große Bild noch nicht vor dem geistigen Auge entstanden ist. Warum nicht mal mit Humor arbeiten oder mit Herzblut sein Publikum mitreißen? Von solchen Regeln, die für TV-Formate gelten, könnte sehr wohl auch der klassische Bildungsbereich profitieren. Für Caspers (Jahrgang 1972) hat weniger der Unterricht den Spaß entfacht, Neues zu entdecken, sondern das Yps-Heft. Er meint: Die Form von Wissensvermittlung, wie sie an Schulen und auch Hochschulen bis heute praktiziert wird, hat sich im Grunde überlebt. Viel zu viele junge Menschen wurden davon überzeugt, dass lernen vor allem eines sei: langweilig. Aber das muss nicht sein. Geschichten erzählen zu können, ist sehr viel Handwerk, also etwas, das man lernen kann.

    Während der Corona-Pandemie hat die Öffentlichkeit mehr denn je wahrgenommen, welch existenzielle Rolle Forschungsergebnisse in unserem Leben einnehmen. Das hat auch Skepsis auf den Plan gerufen, berechtigterweise. Denn Wissenschaft ist nicht der Weisheit letzter Schluss, sondern ein Schritt auf dem Weg dahin. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Was heißt das nun für die Arbeit der Medien? Caspers plädiert dafür, eigentlich immer den wissenschaftlichen Konsens abzubilden und dabei Unsicherheiten transparent zu machen. Und er hofft, dass die Anerkennung für die Funktion von Wissenschaftsredaktionen als Schnittstelle zwischen Forschenden und Publikum auch anhalten wird, wenn die Pandemie einmal vorbei ist.

  • Noch nie etwas von Strukturbiologie gehört? Dieses Spezialgebiet befasst sich damit,den Aufbau von Molekülen zu entschlüsseln, beispielsweise durch die Messung des von ihnen reflektierten Röntgenlichts. Doch weil die Forschungsobjekte so unfassbar klein sind, bedarf es ausgefeilter Messmethoden und Software, um am Computer dreidimensionale Modelle von Molekülen zu bauen – so auch von jenen 28 Proteinen, die man landläufig als das Coronavirus bezeichnet.

    Andrea Thorn, die am Institut für Nanostruktur- und Festkörperphysik an der Universität Hamburg arbeitet, hatte früh erkannt, was ihr Fachgebiet sozusagen hinter den Kulissen zur Bekämpfung der Pandemie beitragen kann. Denn wenn man weiß, wie die Proteine aufgebaut sind, die eine menschliche Zelle in eine Virusfabrik umfunktionieren, gibt es einen Ansatzpunkt für Abwehrmaßnahmen. Hat man etwa ein Bild von der „Kopiermaschine“, mit der das Virus sein eigenes Erbgut tausendfach vervielfältigt, gewinnt man einen Hebel, um diesen Mechanismus zu sabotieren.

    Die Coronavirus Structural Task Force, die Thorn leitet, hat seit März 2020 nicht nur Basisarbeit für die Entwicklung von Impfstoffen geleistet. Die Truppe selbst ist ein für den Wissenschaftsbetrieb total untypischer, lockerer Zusammenschluss von jetzt weltweit 27 Forscherinnen und Forschern meist aus dem wissenschaftlichen Nachwuchs. Sie alle haben sich kurzentschlossen selbst organisiert, weil es ihnen einfach wichtig war, ihr Wissen zu teilen und die Beschaffenheit des SARS-CoV-2-Virus zu verstehen. Die Erkenntnisse der Task Force wurden für alle frei im Internet veröffentlicht – um anderen Wissenschaftlern zu helfen, die Pandemie zu stoppen. Als Methodenentwickler stehen sie kaum im Rampenlicht, doch viele Forschungserfolge, die später mit Medizin-Nobelpreisen belohnt wurden, wären ohne die Strukturbiologie undenkbar gewesen.

    Das Gespräch wurde Ende März 2021 aufgezeichnet.

  • Woher weiß man eigentlich, welche Therapie wirkt? Dafür gibt es klinische Studien, in denen zum Beispiel ein neues Medikament geprüft wird, ob es hilft und was für Nebenwirkungen auftreten. Doch ganz so simpel ist die Anlage einer solche Untersuchung eben nicht. Es gibt viele Fallstricke, die die Ergebnisse unbrauchbar machen – zum Beispiel wenn die Gruppe, die das Medikament bekommt, und die Kontrollgruppe, die nur ein Placebo erhält, unterschiedlich zusammengesetzt sind. Ohne sauberes wissenschaftliches Arbeiten gewinnt man zwar Daten, aber keine gesicherte Erkenntnis.

    Fehler und Verzerrungen in wissenschaftlichen Studienergebnissen systematisch auszuschalten, ist der Kern des evidenzbasierten Ansatzes in der medizinischen Forschung. Gerd Antes (71) gilt als ihr Wegbereiter in Deutschland. Der Mathematiker und langjährige Direktor des Deutschen Cochrane Zentrums am Universitätsklinikum Freiburg hat sich während seines Berufslebens dafür stark gemacht, den empirischen Nachweis von Wirksamkeit in der Forschung ins Zentrum zu stellen und auch Ärzte in der Ausbildung das Know-how beizubringen, Studien kritisch zu lesen. Hier hat es tatsächlich gewaltige Fortschritte gegeben, aber: Qualität ist kein Selbstläufer, und gerade in Pandemie-Zeiten scheint in der Forschung Geschwindigkeit oft vor Gründlichkeit zu gehen. Und wenn man etwa die Wirkung einer Intervention zur Eindämmung des Infektionsgeschehens messen will, der Effekt sich aber in einem Knäuel von Maßnahmen nicht sauber herausfiltern lässt, wird die Untersuchung nicht viel taugen.

    Auch Big Data und maschinelles Lernen sind da leider nicht die Lösung, denn was ein plausibler Zusammenhang zwischen zwei Faktoren ist, weiß eine künstliche Intelligenz eben nicht von sich aus, mangels eigener Lebenserfahrung. Nicht jede statistische Korrelation begründet eine Kausalität. Neben der verlässlichen Erhebung von Daten geht es bei evidenzbasierter Forschung eben auch um den Sinn.

    Das Gespräch wurde am 28. Oktober 2020 aufgezeichnet.

  • Das Leben versuchen zu verstehen und diese Erkenntnisse anzuwenden, damit sie dem Menschen weiterhelfen - das ist im Kern, worum es bei Biotechnologie geht. Im medizinischen Bereich heißt das: die molekularen Grundlagen von Krankheiten erforschen und neue Ansätze für Therapien suchen. Während der Corona-Pandemie ist dieses Forschungsfeld schlagartig wieder ins öffentliche Interesse gerückt, denn es geht hier insbesondere um die Entwicklung eines Impfstoffs, der die Ausbreitung der Infektion aufhalten soll.

    Joachim Fensterle kennt die verschiedenen Welten, in denen sich die biotechnologische Forschung abspielt. Er hat am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie in Berlin und an der Universität Würzburg gearbeitet, um dann einige Jahre in die pharmazeutische Industrie zu wechseln, in der Innovationen aufgrund der klinschen Studien einen ganz langen Atem erfordern. Klar, dass er mit besonderem Interesse die Entwicklung von Impfstoffen gegen den SARS-CoV-2-Virus beobachtet. Der zurzeit wohl aussichtsreichste Kandidat bedient sich eines innovativen mRNA-Verfahrens, bei dem ein Bauplan zur Produktion von Antikörpern in die Zellen eingeschleust wird. Entscheidend wird die Effizienz sein, also ob es gelingt, auf diese Weise die Herstellung von ausreichend Antikörpern anzuregen. Und wie viele man braucht, das weiß man noch nicht.

    Fensterle ist inzwischen Professor für Biotechnologie und Bioengineering an die Hochschule Rhein-Waal in Kleve. Dort eröffnete sich ihm ein ganz neues Forschungsfeld, die Hochschullehre selbst. In einem vom Stifterverband geförderten Projekt hat er die Nutzung von Smart Glasses für Laborpraktika erkundet. Während der Corona-Pandemie musste die Online-Lehre von heute auf morgen den Hörsaal ersetzen. Joachim Fensterle hat dabei die Erfahrung gemacht: Eine Vorlesung als Videostream lebt vom Live-Erlebnis.

  • Bei einem Mordfall kann jede Spur wichtig sein, mag sie auch auf den ersten Blick noch so abseitig erscheinen. Zum Beispiel was für Schmeißfliegen eine verweste Leiche besiedelt haben. Passen die Insekten eigentlich zum Fundort oder fand das Verbrechen ganz woanders statt? Solche Fragen sind nicht etwa der übersteigerten Phantasie von Drehbuchscheibern amerikanischer Krimiserien entsprungen, sondern ganz real. Und Mark Benecke hilft, sie zu beantworten.

    Als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger wird Benecke (geb. 1970) zu Rate gezogen, wenn es darum geht, die klassische Rechtsmedizin durch sein sehr spezielles Wissen zu ergänzen. Insekten und Mikroorganismen können nämlich einiges über die Umstände eines Tötungsdelikts verraten. So konnte Benecke etwa für ein aufsehenerregendes Gerichtsverfahren anhand von Fliegenmaden den Todeszeitpunkt zu bestimmen und dadurch das Alibi des Täters zu Fall zu bringen.

    Wissenschaft bildet für den Spurenkundler das Fundament für seine Erkenntnisse. Und Benecke ist selbst ein Forschender im Sinne der Wahrheitsfindung. Nur eben nicht an einem Institut oder einer Hochschule, sondern sozusagen mit seinem freien Detektivbüro. Deutschlands wohl bekanntester Kriminalbiologe ist nebenbei auch noch Musiker, Politiker und Vortragsreisender, um seine Fälle einem breiten Publikum anschaulich zu vermitteln - das dann beispielsweise erfährt, warum es unklug sein kann, eine Leiche in einen Teppich einzuwickeln.

  • Als die Corona-Pandemie ihren Lauf nahm, schlug die Stunde der Wissenschaftskommunikation. Virologen und Epidemiologen standen auf einmal im Rampenlicht der Öffentlichkeit. Und ihr Wort hatte Gewicht in der Politik. Dabei war anfangs eine Ausnahmesituation: Im Grunde stimmten alle dieselbe Erzählung an, dass man die Infektionswelle brechen müsse, bevor sie unbeherrschbar in die Höhe schießt. In dieser Phase wuchs auch das Vertrauen der Bevölkerung in die Wissenschaft. Bis sich dann die kritischen Stimmen mehrten und der kurze Burgfrieden schon wieder vorbei war.

    Stefanie Molthagen-Schnöring, Professorin für Wirtschaftskommunikation an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, hat diese Entwicklung aus der Forscherinnenperspektive beobachtet. Im Gespräch berichtet sie über ihre Wahrnehmung der Krisenkommunikation und auch grundsätzlich darüber, wie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler heutzutage in der Öffentlichkeit sichtbar werden. Dabei sind die klassischen Publikumsmedien mit ihrer eigenen Logik nicht immer die erste Wahl, neigen sie doch gerne dazu, Sachthemen als persönliche Geschichten zu erzählen. Auch die Corona-Krise hat „Stars“ wider Willen hervorgebracht und einen wissenschaftlichen Disput als Hahnenkampf unter Forschern skandalisiert.

    Aber nun gibt es inzwischen ja auch viele Möglichkeiten, Medien selbst zu gestalten. Spätestens mit der Pandemie ist das Wissen, was ein Podcast ist, nun wirklich in der Allgemeinheit angekommen. Stefanie Molthagen-Schnöring ermuntert andere Forscherinnen und Forscher darin, ihre Vermittlungsformate selbst zu wählen. Oder auch mal zu verzichten, wenn man zum Beispiel mit Social Media fremdelt oder den Kopf nicht ständig in die Kamera halten mag. Entscheidend sei es, authentisch zu bleiben und wahrhaftig, wie eben die Wissenschaft selbst auch.

  • Doch, doch, es gab ein Internet vor Facebook, Twitter und YouTube. In den 2000er Jahren blühte die Blogosphäre auf. Statt nur passiv zu konsumieren begannen Webnutzer mit eigenen Inhalten eine Öffentlichkeit zu finden – argwöhnisch beobachtet von den klassischen Massenmedien, die Blogs auch mal als „Klowände des Internets“ verächtlich machten. Doch die alten, klar verteilten Rollen zwischen Journalisten und Lesern lösen sich seither immer mehr auf. Die Deutungshoheit traditioneller Medien bröckelt. Soziale Netzwerke, die seit rund zehn Jahren auch große Player im Werbemarkt sind, stellen zudem die wirtschaftliche Grundlage der Verlage in Frage.

    Den Wandel der digitalen Öffentlichkeit intensiv verfolgt hat Jan-Hinrik Schmidt, Senior Researcher am Leibniz-Institut für Medienforschung / Hans-Bredow-Institut in Hamburg. Die Digitalisierung bedeutet weit mehr als nur eine technische Umstellung, denn die Grundlogik der neuen, datengetriebenen Plattformen geht einher mit einer eigenen Mechanik für Identitäts-, Beziehungs- und Informationsmanagement. Nachricht und Kommentar rücken in der Wahrnehmung enger zusammen. Algorithmen belohnen Kommunikation, die zugespitzt ist, und können an der Empörungsspirale drehen. Unterdessen hat es vernunftgeleitete Argumentation schon ein bisschen schwerer, sich Gehör zu verschaffen, weil sie naturgemäß nicht zur Erhöhung des Erregungslevels beitragen kann. Und dieser Trend kann Folgen für das Miteinander in einer Demokratie haben.

    Für den Soziologen Jan-Hinrik Schmidt steht fest: Die Regulierung der Plattformen wird eine medienpolitische Schlüsselfrage in den 2020er-Jahren sein – findet doch immer mehr Kommunikation in einer dezentralen Netzwerköffentlichkeit statt. Und so steht im Zentrum von Schmidts Forschung künftig die Frage: Können die sozialen Medien den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken oder bewirken sie das Gegenteil?