Episodes

  • „Jede Bundesregierung und jeder Bundeskanzler vor mir waren der besonderen historischen Verantwortung Deutschlands für die Sicherheit Israels verpflichtet. Diese historische Verantwortung Deutschlands ist Teil der Staatsräson meines Landes. Das heißt, die Sicherheit Israels ist für mich als deutsche Bundeskanzlerin niemals verhandelbar. Und wenn das so ist, dann dürfen das in der Stunde der Bewährung keine leeren Worte bleiben.“
    So Angela Merkel 2008 vor der Knesset in Jerusalem.
    Diese Staatsräson gehört auch zum Selbstverständnis der aktuellen Regierung und ist Gegenstand zahlreicher Debatten. Sie wird kritisch hinterfragt und abgelehnt oder positiv referiert und als Grundpfeiler des deutschen Staates herangezogen. Und das nicht nur in seinem explizit außenpolitischen Verhältnis zu Israel, sondern auch bei innenpolitischen Auseinandersetzungen. Zugleich wurde nie ausbuchstabiert, was „Staatsräson“ genau bedeutet.

    Der 7. Oktober 2023 und die seitdem anhaltenden militärischen Reaktionen Israels, aber auch das Geschehen und die Diskussionen in Deutschland dürften die „Stunde der Bewährung“ sein, von der Angela Merkel sprach. Was nun?

    Nazih Musharbash und Meron Mendel sprechen über palästinensische und israelische Perspektiven auf die deutsche Staatsräson, über Möglichkeiten und Gefahren dieses Konzepts. Und über die Folgen für den Alltag vieler Menschen sowohl in Deutschland wie auch für die Menschen zwischen Mittelmeer und Jordan.

    Nazih Musharbash, Deutsch-palästinensische Gesellschaft. Nazih Musharbash wurde 1946 in Amman geboren, er war Lehrer und Politiker in Niedersachsen und ist seit 2018 Vorsitzender der deutsch-palästinensischen Gesellschaft.

    Meron Mendel, Bildungsstätte Anne Frank. Meron Mendel wurde 1976 in Ramat Gan geboren, er ist Pädagoge und Publizist, Direktor der Bildungsstätte Anne Frank und Professor an der Frankfurt University of Applied Sciences.

    Moderation: Annabel Wahba, Die Zeit. Annabel Wahba wurde 1972 in München geboren und Textchefin im ZEITmagazin

    Die Diskussion fand im Rahmen der Konferenz "Israels Sicherheit als deutsche Staatsräson: Geschichte und Aktualität eines umstrittenen Postulats" am 7. November 2024 statt.

  • Die Ergebnisse der Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen lassen sich als eine akute Gefährdung der bundesdeutschen Demokratie interpretieren, die augenscheinlich in den sogenannten neuen Bundesländern besonders deutlich zu Tage tritt. Sind entscheidende Ursachen der dortigen Entwicklung in der fehlenden Fähigkeit vieler Ostdeutscher zu suchen, sich von ihren in der DDR-Zeit entstandenen und autoritär geprägten Gewohnheiten und Verhaltensformen zu lösen und ihre daraus resultierenden Hoffnungen der Realität anzupassen? Der Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk hält in seinem jüngsten Buch Freiheitsschock die Erfolge und den Aufstieg von AfD und BSW für das Ergebnis einer aus enttäuschten Erwartungen geborenen gesellschaftlichen Wut. Vor dem Hintergrund der jüngsten politischen Ereignisse diskutiert er seine Thesen und Argumente mit Alexander Leistner, der an der Universität Leipzig die kollektive Prägekraft der Transformationen von 1989/90 untersucht.

    Dr. Ilko-Sascha Kowalczuk ist Historiker und Publizist sowie Wissenschaftler der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur
    Dr. Alexander Leistner ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kulturwissenschaften der Universität Leipzig.
    Moderation: Dr. Laura Wolters, Sozialwissenschaftlerin; Forschungsgruppe Makrogewalt sowie Forschungsgruppe Demokratie und Staatlichkeit des Hamburger Instituts für Sozialforschung

    Eine Veranstaltung des HIS in Kooperation mit C. H. Beck

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  • Im Oktober 1949 kehrte Theodor W. Adorno aus dem amerikanischen Exil in seine Geburtsstadt Frankfurt zurück. Die Stadt selbst lag in Trümmern, die Nazis hatten nur die Kleider gewechselt, aber die Studierenden kamen in Scharen. Bald war der Philosoph wöchentlich im Radio zu hören und zum Stichwortgeber und »Erzieher« der jungen Bundesrepublik geworden. Als Adorno 1969 starb, waren das Institut für Sozialforschung und sein Direktor bundesweit bekannt. Die Frankfurter Schule befand sich auf dem Zenit ihrer öffentlichen Wirkung. Dieser Denkraum und seine Metamorphosen zwischen Nachkrieg und Wiedervereinigung sind das Thema des Buches, zwölf Mitarbeiter Adornos seine Protagonisten. Jörg Später folgt ihren Wegen und schildert, wie sie in Wissenschaft, Politik und den neuen sozialen Bewegungen Adornos Erbe annahmen und veränderten. Über eben diese Erbauseinandersetzung spricht der Autor an diesem Abend mit Wolfgang Knöbl und Clemens Boehncke.

    Jörg Später, promovierter Historiker und freier Autor. An der Universität Freiburg ist er mit der Forschungsgruppe Zeitgeschichte assoziiert.

    Clemens Boehncke, Politikwissenschaftler und Soziologe; Hamburger Institut für Sozialforschung

    Wolfgang Knöbl, Soziologe und Direktor des Hamburger Instituts für Sozialforschung

    Eine Veranstaltung in Kooperation mit Suhrkamp

  • Der Entzug vom Militärdienst und die Furcht vor einer daraus resultierenden Bestrafung ist für zahlreichende Menschen ein Grund, nicht in ihren Herkunftsstaat zurückzukehren. Während in Ausnahmefällen bereits der Zwang, Militärdienst leisten zu müssen, als Verletzung des Menschenrechts auf Gewissensfreiheit betrachtet wird, muss in Asylverfahren vor allem geprüft werden, wie genau Verweigerer betraft werden, unter welchen Bedingungen sie den Militärdienst ableisten müssten und ob ein Einsatz in einem völkerrechtswidrigen Krieg droht. An den Beispielen Syrien und Eritrea erläutert der Vortrag die zentralen Rechts- und Tatsachenfragen in Asylverfahren zu Militärdienstverweigerung und zeigt die Zusammenhänge zwischen der Entscheidungspraxis zu diesen Herkunftsstaaten und den Verfahren russischer Asylsuchender, die sich seit der Invasion der Ukraine dem Militärdienst durch ihre Ausreise entzogen haben.

    Valentin Feneberg, Lehrstuhl Public Policy & Recht am Institut für Politikwissenschaft der Leuphana Universität Lüneburg
    Moderation: Dr. Laura Affolter, Forschungsgruppe Rechtssoziologie des Hamburger Instituts für Sozialforschung

    Reihe Im Nebel des Krieges | 40 Jahre HIS

  • A Theory of Contemporary State-Building

    Preisverleihung und Landshut Lecture

    Contemporary state-building depends on the incremental evolution of the relationship between the state and non-state groups, but recent research ignores how the interaction of state
    and non-state groups affects the evolution of both. One important reason for the durability of non-state groups is the »noncontractual elements of contract,« that is, the social factors that must be in place for political mechanisms to function. I argue that if the state ignores or merely tolerates non-state groups, non-state groups can actually be strengthened. Paradoxically, embracing non-state groups as part of the formal state can – in some circumstances – both strengthen the formal state, and weaken the non-state group, because (1) the state can borrow the legitimacy of the non-state group and use it to create conditions for economic development which weakens constituents’ material dependence on non-state groups, and (2) becoming too close to the state can undermine non-state actors‘ legitimacy. The theory is illustrated with primary research on Somaliland and secondary research on other contexts of both successful and failed hybrid governance.

    Grußwort: Senator Dr. Carsten Brosda, Behörde für Kultur und Medien der Freien und Hansestadt Hamburg
    Begrüßung und Laudatio: Prof. Dr. Wolfgang Knöbl, Direktor des Hamburger Instituts für Sozialforschung

  • Geschichte und Gegenwart antizionistischer Proteste Ort am HIS

    Der Punkt, an dem die Kritik an konkreter israelischer Politik in Antisemitismus kippt, ist ein zentraler Streitpunkt aktueller Debatten. Dabei handelt es sich hierbei um kein neues Phänomen. Im Gegenteil sind antisemitische Debatten über den jüdischen Staat älter als der Staat selbst. Und gerade in Deutschland wurden Debatten – Links, Rechts und in der Mitte – immer wieder über diese Zusammenhänge geführt. Dabei zeigt sich allzu oft die Persistenz des »Gerüchts über die Juden« (Adorno), das sich dann in »Israel-Kritik« äußert. Über Geschichte und Gegenwart von Antizionismus und Antisemitismus, den Verbindungslinien, Gemeinsamkeiten und Differenzen, sprechen Jan Philipp Reemtsma und Meron Mendel miteinander, es moderiert Wolfang Knöbl.

    Meron Mendel, Direktor der Bildungsstätte Anne Frank und Professor an der Frankfurt University of Applied Sciences. 2023 erschien von ihm »Über Israel reden. Eine deutsche Debatte«.

    Jan Philipp Reemtsma, Gründer und bis März 2015 Leiter des Hamburger Instituts für Sozialforschung. 2024 schrieb er das Nachwort zur Neuausgabe von Adornos »Zur Bekämpfung des Antisemitismus heute«.

    Moderation: Wolfgang Knöbl, Direktor des Hamburger Instituts für Sozialforschung

    Eine Veranstaltung in Kooperation mit der Bildungsstätte Anne Frank und unserem Verlag Hamburger Edition.

  • — eine (zeit-)historische Perspektive

    In der aktuellen sozialwissenschaftlichen Diskussion spielt die meist auf den Klimawandel verkürzte Naturvernutzung eine zentrale Rolle (zuletzt: Beckert 2024; Blühdorn 2024). Dabei wird dem Kapitalismus eine recht unterschiedliche Bedeutung sowohl als Verursacher etwa der Erderwärmung als auch als Blockierer angemessener Problemlösungen zugewiesen. Von globaler Asymmetrie ist dagegen so gut wie nie die Rede. Der Vortrag zeigt auf, zu welchen Verkürzungen es führt, wenn man dergestalt im Horizont westlicher Industriestaaten verharrt und überdies von grundlegenden historischen Wandlungsprozessen absieht. Für letztere stütze ich mich auf meine im Vorjahr unter dem Titel Der Preis der Welt erschienene Globalgeschichte des Kapitalismus, greife anders als in diesem Buch aber nicht bis ins 15. Jahrhundert zurück, sondern konzentriere mich auf Zeiten, für die ältere Zuhörerinnen und Zuhörer Zeitgenossenschaft beanspruchen können.

    Prof. Dr. Friedrich Lenger, Historiker; Professor für Mittlere und Neuere Geschichte an der Universität Gießen

    Sighard Neckel, Soziologe; Professur für Gesellschaftsanalyse und sozialen Wandel an der Universität Hamburg, Mitglied der DFG-Kolleg- Forschungsgruppe »Zukünfte der Nachhaltigkeit«

    Prof. Dr. Wolfgang Knöbl, Soziologe; Direktor des Hamburger Instituts für Sozialforschung

    Eine Veranstaltung des HIS in Kooperation mit der Universität Hamburg

    Zu Beginn der Aufzeichnung kam es in den ersten Minuten zu Tonproblemen, die sich leider in der Nachbearbeitung nicht zu 100% beheben ließen. Wir bitten Sie, dies zu entschuldigen.

  • STREIT.BAR im Nachtasyl des Thalia Theaters | Es diskutieren Thomas Großbölting, Wolfgang Knöbl und Hilal Sezgin

    Streit.Bar will eingreifen – in die städtische Öffentlichkeit, den politischen Diskurs, die gesellschaftliche Debatte darüber, was das Neue an den derzeitigen Problemen ist und wie es weitergehen soll.

    Die positiven wie negativen Effekte kapitalistischen Wirtschaftens sind ein altes, aber immer wieder neu aufgeworfenes und damit aktuelles Thema. Gerade in letzter Zeit wird besonders deutlich, dass der Problemstau in (nicht nur) westlichen Gesellschaften (von der Klimakrise bis hin zur Steuerung von Migrationsprozessen) zutiefst mit dieser Wirtschaftsform zusammenhängt, so dass auch die Frage der Möglichkeit alternativen Wirtschaftens immer stärker in den Mittelpunkt rückt.

    Darüber wollen wir in der nächsten Streit.Bar diskutieren – und zwar in folgender Besetzung: Thomas Großbölting (Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg), Wolfgang Knöbl (Hamburger Institut für Sozialforschung) und Hilal Sezgin (Freie Journalistin und Buchautorin).

    Die Bücher:
    Jens Beckert, Verkaufte Zukunft. Warum der Kampf gegen den Klimawandel zu scheitern droht (Suhrkamp)

    Ingrid Robeyns, Limitarismus. Warum Reichtum begrenzt werden muss (S. Fischer)

    Alyson K. Spurgas/ Zoë C. Meleo-Erwin, Dekolonisiert Selfcare (Edition Nautilus)

    Ulrich Peltzer, Der Ernst des Lebens (S. Fischer)

    Streit.Bar – Bücher der Gegenwart
    ist eine Veranstaltung des Thalia Theaters und des Hamburger Instituts für Sozialforschung

  • »Café Marx«: So nannten Freunde wie Feinde das Institut für Sozialforschung flapsig. Und tatsächlich liegen die Anfänge der Kritischen Theorie und der Frankfurter Schule in einer Auseinandersetzung mit dem Marxismus. Philipp Lenhard erzählt auf einer breiten Quellengrundlage die Geschichte der Personen, Netzwerke, Ideen und Orte, die das Institut geprägt haben und ihrerseits von ihm geformt wurden. So wird anschaulich greifbar, warum die Frankfurter Schule wie keine zweite die großen intellektuellen Debatten des 20. Jahrhunderts bestimmt hat. Über das Verhältnis von Institutsgeschichte und historischem Augenblick spricht der Autor an diesem Abend mit Clemens Boehncke.

    Philipp Lenhard, University of California, Berkeley

    Clemens Boehncke, Hamburger Institut für Sozialforschung

    Eine Kooperation mit C. H. Beck

  • Russia’s ongoing war against Ukraine poses significant challenges for researchers from diverse academic traditions. On one hand, the unfolding events require immediate consideration and conceptualisation. On the other, the conflict poses significant ethical and methodological difficulties due to its sensitivity and the positionality of researchers interested in studying it. Nevertheless, producing up-to-date knowledge
    about the conflict is critical for keeping the world informed, deliberating possible war outcomes, and rebuilding Ukraine. In this talk, I will reflect on my experience of conducting research in an about Ukraine since 24 February 2022, and present the critical reflections on ethical production and dissemination of authoritative knowledge about the war. Being an ›insider‹ in my positionality, I will also highlight the need to tackle epistemic
    inequalities and Western-dominated orderings in knowledge production, and the value of elevating ethics above research outputs to protect our participants, ourselves, and larger communities.

    Dr. Valeria Lazarenko, Wissenschaftlerin am Georg-Simmel Center for Urban Studies

    Moderation: Dr. Lodewijk Van Dycke, Jurist; Forschungsgruppe Rechtssoziologie

    Eine Veranstaltung der Reihe "Im Nebel des Krieges" | 40 Jahre HIS

  • In seinem Buch Blumen und Brandsätze. Eine deutsche Geschichte, 1989–2023 schreibt Klaus Neumann über den Umgang mit Asylsuchenden, DDR-Übersiedler*innen, Aussiedler*innen, Bürgerkriegsflüchtlingen und anderen Menschen, »die wir nicht gerufen haben«. Seine Geschichte arbeitet mit Geschichten aus dem Hamburger Westen und dem Südosten Sachsens. Sie thematisieren Auseinandersetzungen um die Unterbringung von Schutzsuchenden, west- und ostdeutsche Fremd- und Eigenwahrnehmungen, Rassismus und rechte Gewalt sowie demokratische Teilhabe.

    In Neumanns Vortrag und im anschließenden Gespräch mit Knud Andresen geht es unter anderem um Handlungsspielräume und Handelnde auf der lokalen Ebene sowie die Rolle und das Potenzial von Lokalgeschichte.

    Klaus Neumann, Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur / Deakin University

    Knud Andresen, Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg

    Begrüßung: Wolfgang Knöbl, Direktor des Hamburger Instituts für Sozialforschung

    Eine Veranstaltung in Kooperation mit der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg und unserem Verlag Hamburger Edition

  • Über monetäre Kriegsführung und die Zukunft globaler Zahlungssysteme

    Die globale Geldordnung steht vor einem Umbruch, der die Dominanz des US-Dollars beenden und die Globalisierung ausbremsen wird. Prognosen dieser Art wurden jüngst durch den russischen Krieg gegen die Ukraine befeuert, als Sanktionen westlicher Staaten die Infrastrukturen des internationalen Zahlungsverkehrs militarisierten und das Geld selbst zur Waffe wurde. Der Vortrag ordnet diese »monetäre Kriegsführung« historisch und geldtheoretisch ein, erläutert die Konstruktionsprinzipien der globalen Geldordnung und stellt Entwicklungsszenarien zur Diskussion.

    Prof. Dr. Aaron Sahr, Soziologe; Leiter der Forschungsgruppe Monetäre Souveränität, Gastprofessor am Institut für Soziologie und Kulturorganisation (ISKO) der Leuphana Universität Lüneburg

    Moderation: Prof. Dr. Stefan Malthaner, Politikwissenschaftler und Soziologe; Sprecher der Forschungsgruppe Makrogewalt, Gastprofessor an der Leuphana Universität Lüneburg

    Ein Vortrag der Reihe "Im Nebel des Krieges" | 40 Jahre Hamburger Institut für Sozialforschung.

  • Verdrängen und Erinnern in der westdeutschen Nachkriegsgesellschaft

    Dass die Deutschen die Erinnerung an den von ihnen begonnenen Zweiten Weltkrieg und die damit verbundenen Verbrechen nach 1945 »verdrängt« hatten, war das Standardargument einer seit Mitte der 1960er Jahre Diskursmacht gewinnenden „Vergangenheitsbewältigung“. Als Zeichen dieser Verdrängung ließen sich nicht zuletzt die terminologischen Verschiebungen im Diskurs über die von den Alliierten als Kriegsverbrecher verurteilten NS-Funktionäre und Wehrmachtangehörigen deuten, für deren Begnadigung und Freilassung sich zunächst vor allem Kirchenführer eingesetzt hatten, seit 1949 dann auch die politische Klasse der jungen Bonner Republik. Die Unterschiede zwischen Strafhaft und Kriegsgefangenschaft wurden dabei zunehmend verwischt und im Begriff der »Kriegsverurteilten« gleichsam eingeebnet. Der Vortrag erläutert diesen Prozess und diskutiert die Frage, ob die Verwandlung von NS-Tätern in »Kriegsverurteilte« nicht auch als ein verkapptes Eingeständnis der Realität des Vernichtungskrieges zu lesen ist.

    Prof. Dr. Norbert Frei, Seniorprofessor für Neuere und Neueste Geschichte an der Friedrich-Schiller-Universität Jena
    Moderation: Prof. Dr. Wolfgang Knöbl, Direktor des Hamburger Instituts für Sozialforschung

    Ein Vortrag der Reihe "Im Nebel des Krieges" | 40 Jahre Hamburger Institut für Sozialforschung

  • The Emotional Dynamics of Battlefield Experiences

    The act of close-range killing in war is often interpreted through contrasting perspectives: while neo-Darwinian approaches insists that taking lives on the battlefield is relatively easy, the neo-Durkheimian perspectives perceive killing as an extremely difficult and traumatic event for soldiers. In this lecture, Siniša Malešević challenges these influential views and argues that the process of killing is defined by its variability, contingency and context-dependence. Rather than assuming, as the dominant perspectives do, that violence simply triggers biologically ingrained and uniform emotional responses, he argues that acts of violence create various emotional dynamics. Drawing on primary research with ex-combatants from wars in Croatia and Bosnia and Herzegovina (1991–1995), he shows how the shared experience of close-range violence generates highly diverse forms of emotional dynamics.

    Prof. Dr. Siniša Malešević, Professor für Soziologie am University College Dublin.

    Prof. Dr. Stefan Malthaner, Sprecher der Forschungsgruppe »Makrogewalt« am Hamburger Institut für Sozialforschung und Gastprofessor an der Leuphana Universität Lüneburg.

    Eine Veranstaltung der Reihe Im Nebel des Krieges | 40 Jahre HIS

  • Carsten Brosda und Ute Frevert im Gespräch. In Zeiten sich überlagernder Krisen fällt es derzeit schwer, sich eine gute Zukunft vorzustellen. Was dabei helfen kann, ist die Kraft zuversichtlicher Geschichten, die wir uns als Gesellschaft endlich besser erzählen müssen. Sie sind eine unabdingbare Voraussetzung dafür, künftig freier, gerechter und solidarischer zusammenzuleben. Sie verdichten die Überzeugung, dass sich die Welt überhaupt verändern lässt. Zugleich müssen wir wieder neu lernen, einander zuzuhören und davon auszugehen, dass unser Gegenüber vielleicht recht haben könnte. Oder zumindest, dass wir uns darauf einigen können, in einigen Aspekten verschiedener Meinung zu sein und trotzdem eine Gesellschaft zu bilden, in der alle ohne Angst verschieden sein können. Denn Angst ist ein schlechter Ratgeber. Daher muss Politik ihre Erfolge zukünftig besser erzählen und auch, warum sie tut, was sie tut. Im Gespräch mit der Historikerin Ute Frevert diskutiert Brosda, wie das gelingen könnte.

    Prof. Dr. Dr. h.c. Ute Frevert, Präsidentin der Max Weber Stiftung, Wissenschaftliches Mitglied der Max-Planck-Gesellschaft und Direktorin, Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, Berlin

    Dr. Carsten Brosda, ist Senator für Kultur und Medien in Hamburg sowie Vorsitzender des Kulturforums der Sozialdemokratie und Co-Vorsitzender der Medienkommission des SPD-Parteivorstandes

    Prof. Dr. Wolfgang Knöbl, Direktor des Hamburger Instituts für Sozialforschung

    Eine Veranstaltung des HIS, in Kooperation mit Hoffmann und Campe Verlag.

    Im Zeitraum von Minute 22:26 bis Minute 26:53 kam es aufgrund eines technischen Defekts leider zu schlechter Tonqualität während der Aufzeichnung, wir bitten hierfür um Verständnis.

  • STREIT.BAR im Nachtasyl des Thalia Theaters | Es diskutieren Thomas Großbölting, Wolfgang Knöbl, Teresa Koloma Beck und Hilal Sezgin

    Eine Veranstaltungsreihe des Thalia Theaters Hamburg und des Hamburger Instituts für Sozialforschung

  • Die Geschichte des Krieges ist zugleich eine Geschichte der Bilder des Krieges. Lagen früher Jahre oder Jahrzehnte zwischen dem Schlachtengemälde und dem Kriegsgeschehen, das es zeigen soll, gibt es heute geradezu eine Live Berichterstattung. Die gewandelten Produktions- und Rezeptionsformen haben zugleich nichts daran geändert, dass die Bilder ein Geschehen zeigen, rahmen und festhalten, indem Vieles sowohl in den Bildern als auch durch die Bilder selbst unsichtbar bleibt. Das reicht von ihren Entstehungsbedingungen über die Absichten ihrer Verbreitung bis hin zu den vielen anderen gewaltsamen Ereignissen, die sie ebenfalls zeigen könnten. Das betrifft insbesondere aber auch die Arten und Konventionen des Sehens, die dem Gezeigten erst Bedeutung geben. Bilder aus dem Nebel des Krieges werfen im Grunde mehr Fragen auf, als dass sie selbst Antworten liefern. Wofür stehen die Bilder und wer bestimmt darüber? Wie entstehen sie? Wer zeigt sie? Wie sehen Menschen sie? Welche Bilder sollten überhaupt (nicht) gezeigt werden?
    Über Fragen wie diese sprechen an diesem Abend:

    Prof. Dr. Peter Geimer, Kunsthistoriker; derzeit Direktor des Deutschen Forum für Kunstgeschichte Paris
    Prof. Dr. Marion G. Müller, Politikwissenschaftlerin; Professorin für Medienwissenschaft mit Schwerpunkt Digitale und Audiovisuelle Medien an der Universität Trier
    Dr. Thomas Hoebel, Soziologe; Wissenschaftler in der Forschungsgruppe Makrogewalt am Hamburger Institut für Sozialforschung

  • Eine politische Ideengeschichte des Geldes

    Bankenkrisen, Inflation, Zinsdebatten, Schuldenbremse: Das Thema Geldpolitik ist längst in der Tagespolitik angekommen. Inzwischen ist offensichtlich, dass Geld nicht einfach nur ein neutrales Tauschmittel ist. Aber wie lässt sich Geld auch als ein Instrument politischer Herrschaft verstehen? Und wie könnte eine demokratischere Geldpolitik aussehen?

    In seinem Buch Die Währung der Politik erzählt Stefan Eich eine neue politische Ideengeschichte des Geldes von der griechischen Antike bis in die Gegenwart als eine Reise durch die sedimentierten Schichten geldpolitischer Krisen, die unser Denken bis heute prägen. In den geldpolitischen Erörterungen von Aristoteles, Locke, Fichte, Proudhon, Marx, und Keynes wird Geld als ambivalentes politisches Projekt sichtbar, das sich im Spannungsverhältnis von Vertrauen und Gewalt bewegt. Das moderne Geld ist ein rechtliches Geschöpf, das sich ohne Bezug auf politische Macht nicht begreifen lässt. Aber es hängt auch immer am seidenen Faden von Vertrauen und kollektivem Glauben, die beide schlagartig verschwinden können.

    In unserem heutigen Moment des monetären Interregnums lohnt es sich, diese geldpolitische Ideengeschichte neu zu entdecken. Alte Narrative des neutralen Geldes haben an Glaubwürdigkeit verloren. Doch wir haben nur sehr vage Vorstellungen davon, wie eine demokratischere Geldpolitik gestaltet werden könnte. Die politische Theorie und die Ideengeschichte können uns dabei helfen, die geldpolitische Sackgasse zu überwinden und eine Sprache zu finden, die die monetäre Gewalt und ihre Fallstricke in demokratischen Begriffen zu formulieren vermag.

    Moderation: Aaron Sahr, Leiter der Forschungsgruppe Monetäre Souveränität am Hamburger Institut für Sozialforschung

    Eine Kooperation von Hamburger Edition und dem Hamburger Institut für Sozialforschung

  • Die Sozialwissenschaften waren in ihrer Geschichte – sieht man ab von einzelnen Feldern wie der Theorie Internationaler Beziehungen – nie besonders daran interessiert, sich mit dem Thema Krieg zu beschäftigen. Dies hatte und hat insbesondere mit optimistischen Hintergrundannahmen zu tun, wonach der soziale und ökonomische Fortschritt gewaltsame Auseinandersetzungen zunehmend unwahrscheinlich machen würde. Und so ist man dann beim Ausbruch von Kriegen immer und immer wieder überrascht, wenn die Gewalt diesem Fortschrittsoptimismus ganz direkt widerspricht. – In der Podiumsdiskussion wird es unter anderem darum gehen, welche Auswirkungen die jüngsten Kriege (der Überfall Russlands auf die Ukraine oder die Angriffe der Hamas auf Israel und die Gewalteskalation im Nahen Osten sind nur einige der Beispiele, die genannt werden könnten) für das sozialwissenschaftliche Denken haben und welche theoretischen wie empirischen Konsequenzen SozialwissenschaftlerInnen aus den kriegerischen Vorkommnissen ziehen sollten. Es diskutieren:

    Diskussion mit:

    Wolfgang Knöbl, Direktor des Hamburger Instituts für Sozialforschung

    Stefan Malthaner, Wissenschaftler und Sprecher der Forschungsgruppe Makrogewalt am Hamburger Institut für Sozialforschung

    Klaus Schlichte, Professor für Internationale Politik und Weltgesellschaft (Universität Bremen)


    Eine Veranstaltung der Reihe "Im Nebel des Krieges" | 40 Jahre Hamburger Institut für Sozialforschung

  • Digitale Zentralbankwährungen zwischen Fragmentierung und internationaler Kooperation

    Ein Vortrag von Carola Westermeier (Universität Gießen)

    Moderation: Florian Schmidt, Forschungsgruppe Monetäre Souveränität

    „The digital currencies that will transform finance” – so titelte der britische Economist im Mai 2021. In mehreren Berichten legt das Magazin dar, wie digitale Zentralbankwährungen die etablierte Finanzwelt herausfordern – von der Rolle der Banken über die zentrale Stellung des US-Dollar bis hin zu Fragen digitaler Überwachung und Privatsphäre. Nichts sei festgelegt bei der Entwicklung der neuen Technologie, oder anders: ihre technologischen Möglichkeiten stellen das Etablierte in Frage. Der entscheidende Unterschied zu Kryptowährungen ist dabei, dass diese Technologie nicht von „außen“ kommt, sondern in den Zentren der Finanzwelt, den Zentralbanken, entwickelt wird.
    Inzwischen erkunden weltweit 130 Ländern die Möglichkeiten, die ihnen digitale Zentralbankwährungen bieten. Bereits in einer fortgeschrittenen Phase befindet sich die Europäische Zentralbank, die im Herbst entscheidet, ob der digitale Euro in einer „realisation phase“ für konkrete Anwendungsfälle getestet wird. Noch einen Schritt weiter ist China, wo der digitale Yuan bereits eingesetzt wird. Was aber verbindet den digitalen Euro mit dem digitalen Yuan? Wo sind Unterschiede? Welche (geo)politische Motive spielen bei der Entwicklung der neuen Digitalwährungen eine Rolle? Werden sie unserem Geld eine neue politische Form geben? Der Vortrag thematisiert die aktuelle Entwicklungsphase der neuen digitalen Währungen, in der maßgebliche Entscheidungen für ihren zukünftigen Einsatz gefällt werden.

    Eine Veranstaltung im Rahmen der Reihe Geldpolitk im Umbruch