Episoder

  • In der heutigen Ausgabe diskutieren wir mit Ervin Tahirovic (ab Minute 44), der als “Proletopia” zu politischen Themen auf Twitch streamt und im Online-Diskurs regelmĂ€ssig fĂŒr GesprĂ€chsstoff sorgt. Wir reden mit ihm ĂŒber den “Arbeiterstolzmonat”, den er als Idee erfunden hat; ĂŒber Migration, die er als Linker kritisch sieht; ĂŒber die GrĂŒnde fĂŒr den Zerfall Jugoslawiens; ĂŒber den Ukraine-Krieg.

    Zu Beginn fragen wir Ervin, ob Proletopia ernst gemeint ist oder nur eine provokative Kunstfigur sein soll. Er meint, Proletopia habe Elemente von beidem. Das ist auch unser Eindruck in der Debatte: Ervins Ansichten sind sehr weitreichende, oft maximal starke und maximal einseitige Parolen — bei denen, so unser Eindruck, wenig konkrete Argumente gegeben sind, wenn man analytisch ein wenig zu prĂ€zisieren versucht. Beim Projekt Proletopia steht eine seriöse Analyse, so unsere Wahrnehmung, nicht im Vordergrund.

    Einen Aspekt, der besonders hitzig war, wollen wir hier nochmals kurz aufgreifen. Ervin sagt, Jugoslawien sei wegen externer Faktoren zerfallen: Nicht klar definierte westliche Interessen “des Kapitals” hĂ€tten den Zerfall herbeigefĂŒhrt, darunter der internationale WĂ€hrungsfonds, der den Teilrepubliken Kredite in Aussicht gestellt habe, falls sie sich abspalten. Marko nennt diese Analyse Flacherde-Niveau. Der Grund: Es gibt sehr viel Literatur zum Zerfall Jugoslawiens (https://www.jstor.org/stable/j.ctt6wq21x). Ervins These und damit das Ignorieren ethno-nationalistischer Spannungen in Jugoslawien ist eine derart unseriöse, ahistorische und empirisch unbelegte Deutung, dass sich Marko zu diesem ad hominem hat hinreissen lassen. DafĂŒr sorry. Die QualitĂ€t von Ervins Analyse hĂ€tte sachlicher kritisiert werden können.

    Die Debatte auf YouTube:

    https://youtu.be/MF5DIgNrR1k?si=8sB1t6C_yJgUXLn4

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    Weitere Themen in der heutigen Folge:

    * Zu wenige Weisse in der Deutschen Fussball-Nationalmannschaft. Bald startet in Deutschland die Fussball-EM 2024. In einer Umfrage fand der Westdeutsche Rundfunk WDR heraus, dass rund 20% der Bevölkerung finden, in der Nationalmannschaft gebe es zu wenige Spiele mit weisser Hautfarbe. Ein Rassismus-Skandal? Nein. Viel eher ein Pseudo-Skandal, der mit einer Umfrage konstruiert wurde, die solche Ergebnisse produzieren sollte.

    * Ukraine-Kommentare bei SRF. Am 4. Juni spielte die Schweiz ein Testspiel gegen Estland. Der Kommentator Sascha Ruefer lobte den estnische Spieler Konstantin Vassiljev fĂŒr sein “mutiges und aufrichtiges Denken” zum “Zwist” zwischen der Ukraine und Russland. Das mutige Denken: Vassiljev wurde kritisiert, weil er findet, er sei weder fĂŒr die Ukraine noch fĂŒr Russland. Das Problem beim Loben dieser Haltung: Damit wird in einer völkerrechtlich klaren Situation das Vorgehen des Kreml relativiert und verharmlost.

    * Donald Trump wurde verurteilt. Donald Trump wurde wegen der Verschleierung einer Schweigegeldzahlung an die Pornodarstellerin Stormy Daniels, mit der er eine AffĂ€re hatte, in 34 Anklagepunkten fĂŒr schuldig gesprochen. Nach der UrteilsverkĂŒndung verlieren seine AnhĂ€nger sprichwörtlich den Verstand. U.a. wird Trump mit Jesus verglichen. MAGA ist keine normale politische Bewegung. MAGA ist eine Sekte.

    * Das Fiasko von STRG F. STRG F, ein erfolgreiches YouTube-Reportageformat, das der Norddeutsche Rundfunk NDR fĂŒr das Content-Netzwerk Funk von ARD und ZDF produziert, ist nach 5-monatiger Pause zurĂŒck. Was ist passiert? Nach groben journalistischen Fehlern in einer Reportage, in der der YouTuber Rezo vorkam, ergoss sich Shitstorm um Shitstorm ĂŒber STRG F. Durchaus zurecht, wie wir rekonstruieren. Ist das Drama nun endlich beendet?



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  • Mia Jenni ist SekretĂ€rin der SP queer, der queerfeministischen Strömung innerhalb der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz. Mit ihr diskutieren wir ĂŒber die Situation von LGBTQ-Angehörigen, ĂŒber die bisweilen verwirrenden Begriffe “queer”, “FLINTA” und co., ĂŒber die kommerzielle Vereinnahmung u.a. des Pride Month (Pinkwashing, Rainbow Washing), ĂŒber mögliche blinde Flecken bei der SP und ĂŒber den Kulturkampf nach angelsĂ€chsischem Vorbild.

    Das GesprÀch ist auch auf YouTube:

    https://www.youtube.com/watch?v=GTaDy3c6TNM

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    Weitere Themen in der heutigen Folge:

    * Sylt-Shitstorm. Eine Gruppe gut betuchter Menschen feiert auf Sylt und skandiert “AuslĂ€nder raus, Deutschland den Deutschen”, inkl. Hitlergruss. Sind diese Leute einfach nur rassistisch, oder spielt (auch) ein internalisierter Klassismus und damit verbunden das GefĂŒhl, ĂŒber sozialen Normen zu stehen, eine Rolle?

    * Richard David Precht erklĂ€rt Demokratie. Der einflussreichste Philosoph im deutschsprachigen Raum, Richard David Precht, erklĂ€rt in einem Interview, die “gesamte arabische Welt” taue nicht zu liberalen Demokratien. Wie er zu diesem Schluss kommt, ist geradezu peinlich.

    * Das Wort zum Mittwoch: Rafah. Robin versucht in einem Monolog, seiner BestĂŒrzung ĂŒber das Leid der Menschen in Rafah und der HĂ€me, mit der dieses Leid bei uns rezipiert wird, zum Ausdruck zu bringen.



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  • Menschen mit Migrationshintergrund sind ĂŒberproportional oft delinquent. Was bedeutet das?

    DarĂŒber diskutieren wir mit dem Frank Urbaniok. Frank ist forensischer Psychiater, Honorarprofessor an der Uni Konstanz und er war von 1997 bis 2018 Leiter des Psychiatrisch-Psychologischen Dienstes des Kantons ZĂŒrich. Er engagiert sich publizistisch zum Thema AuslĂ€nderkriminalitĂ€t und fordert eine offene Debatte ohne Vereinfachung.

    FĂŒr offene Debatten ohne Vereinfachung sind wir auch. Im GesprĂ€ch reden wir ĂŒber den medialen Diskurs, ĂŒber konkrete Zahlen, ĂŒber kriminologische Studien und ĂŒber mögliche Massnahmen. Und stellen fest: Die Vereinfachung, gegen die Frank angehen will, macht er in unserer Wahrnehmung ein StĂŒck weit selber. Etwa bei der Verwendung rechter Kampfbegriffe wie “Migrationsromantik” oder der pauschalen Ablehnung kriminologischer Studien, die seine Sicht nicht stĂŒtzen — weil sie nahelegen, dass der analytische Fokus auf die blosse Herkunft zu wenig ErklĂ€rungsgehalt hat und weitere relevante Faktoren ausblendet. Wenn wir ernsthaft daran interessiert sind, dass es weniger KriminalitĂ€t gibt, dann mĂŒssen wir solche Scheuklappen ablegen. Egal, wie bequem die einfachste ErklĂ€rung zu sein scheint.

    Die Diskussion auf YouTube:

    https://www.youtube.com/watch?v=BNOQo7gfYY4

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    Weitere Themen in der heutigen Folge:

    * Benjamin Netanyahu in Den Haag? Der ChefanklĂ€ger des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag kĂŒndigte am 20. Mai an, dass er AntrĂ€ge fĂŒr Haftbefehle gegen drei Hamas-FĂŒhrer und zwei Mitglieder der israelischen Regierung stelle. Und die halbe Welt drehte durch. Wir diskutieren, wie der Internationale Strafgerichtshof eigentlich funktioniert. Und wir nehmen mit Verwunderung zur Kenntnis, dass vielen Menschen humanitĂ€res Völkerrecht egal ist und sie sich nicht dafĂŒr interessieren, ob die Netanyahu-Regierung Kriegsverbrechen begeht. Das ist beschĂ€mendes Lagerdenken, das an die Jahre nach 9/11 erinnert, als die Bush-Regierung im Rahmen des “Krieges gegen den Terror” munter und ohne Folgen Verbrechen beging. Auch damals hiess es, man dĂŒrfe ein demokratisches Land doch nicht auf eine Stufe mit Al-Qaida, Saddam Hussein, ISIS stellen. Tat damals niemand und tut heute niemand. Es geht nur um Völkerrecht, das einfach fĂŒr alle gelten sollte.

    * Scarlett Johansson vs. ChatGPT. OpenAI hat eine neue Version von ChatGPT vorgestellt, die verdĂ€chtig Ă€hnlich klingt wie die Schauspielerin Scarlett Johansson im Film “Her”, in dem sie selber einen AI-Chatbot spielt.

    * Wer braucht schon ein Grundeinkommen wenn wir AI haben? Sam Altman, der Chef von OpenAI, hat eine zĂŒndende Idee: Wir brauchen kein Grundeinkommen, das Menschen ermöglichen wĂŒrde, ihre materiellen GrundbedĂŒrfnisse zu decken. Nein, wir brauchen “Universal Basic Compute” — ChatGPT fĂŒr alle! Weil man davon bekanntlich richtig schön satt wird.



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  • In der heutigen Folge begrĂŒssen wir Iwan Schauwecker zu einem GesprĂ€ch ĂŒber die Zukunft von Gewerkschaften. Iwan ist Redaktor bei der Zeitung “work”, die zur Schweizer Gewerkschaft Unia gehört. (Beginn ab Minute 45)

    Warum sollte man ĂŒber so etwas reden? Einerseits verlieren Gewerkschaften rasant an Boden: In Deutschland, Österreich und der Schweiz sind immer weniger ErwerbstĂ€tige in Gewerkschaften Mitglied. Andererseits nahmen im gleichen Zeitraum prekĂ€re Jobs markant zu (unfreiwillige Teilzeitarbeit, Stundenlohn, befristete ArbeitsvertrĂ€ge, TemporĂ€rarbeit, Gig-Arbeit). Was lĂ€uft falsch?

    Im GesprĂ€ch versuchen wir, uns einer Antwort anzunĂ€hern. Wir diskutieren u.a. kritisch, was Gewerkschaften heute vielleicht falsch machen. Sind das einfach trĂ€ge, langsame UngetĂŒme, Überbleibsel aus vergangenen Zeiten, die gar nicht mehr auf die heutigen RealitĂ€ten reagieren können, sondern in erster Linie am eigenen Fortbestehen interessiert sind?

    Das GesprÀch kannst du auch gesondert auf unserem YouTube-Kanal anschauen:

    https://youtu.be/zvbtXvwkl4o?si=fauXswiLzXCfzj-X

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    Weitere Themen in der heutigen Folge:

    * Dating-Apps mit AI-Klonen. Bumble-MitgrĂŒnderin Whitney Wolfe Herd erklĂ€rt, dass wir uns bald nicht mehr selber auf Partner:innensuche begeben mĂŒssen. Wir können stattdessen einfach einen AI-Klon von uns erstellen und ihn zum Dating mit AI-Klonen anderer Menschen schicken. Falls das dystopisch klingt: Ist es. Das ist im Wesentlichen die Geschichte in einer Folge der Serie “Black Mirror”.

    * Broscience und Schwangerschaft. Der wohl grösste Gesundheitspodcaster der Welt, Andrew Huberman, erklĂ€rt in seiner Show “The Huberman Lab”, wie lange es dauert, bis eine Frau schwanger wird. Wenn die Wahrscheinlichkeit im ersten Monat bei 20% liege, betrage sie nach 6 Monaten 120%. Wow, das gibt glatt Zwillinge! Eine kleine Geschichte ĂŒber die Grenzen der GlaubwĂŒrdigkeit von Gesundheits-Gurus.

    * Björn Höcke wird verurteilt. Björn Höcke, AfD-Spitzenkandidat in ThĂŒringen, wurde zu 13’000 Euro Strafe verurteilt, weil er öffentlich eine in Deutschland verbotene Nazi-Parole benutzte (Das Urteil ist noch nicht rechtskrĂ€ftig). Höcke sagt, er habe nicht gewusst, was es mit der Parole auf sich hat. Wir erklĂ€ren, warum diese Ausrede Quatsch ist und Höcke sehr wohl weiss, was er tut.

    * Eurovision Song Contest. In Malmö fand der Eurovision Song Contest statt — und um Lieder ging es irgendwie nur am Rande. Anti-Israel-Proteste, Satanismus-Panik, HĂ€me gegen den Siegersong und die Person Nemo, und vielleicht doch der ein oder andere kleine Lichtblick. Wir versuchen, das Ganze unaufgeregt einzuordnen. Und siehe da, es gab tatsĂ€chlich auch tolle Musik.



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  • I - Die heutige Folge ist heiss, heiss, heiss. Wir begrĂŒssen Emrah Erken zu einer Debatte (ab 00:46:40). Emrah ist Anwalt, Publizist und Twitter-Influencer. Wir reden mit ihm ĂŒber seine Ansichten zu Islam, zu "Wokeness", zu IdentitĂ€tspolitik, zu trans und nonbinĂ€ren Menschen — und die Debatte endet im Chaos.

    Was ist passiert? Die Debatte ist wohl ein StĂŒck weit wegen der Inhalte eskaliert, aber wir haben das Format nicht optimal gestaltet. Wir waren zu konfliktiv, und die Dynamik von zwei Personen gegen ein Person war hier zu ausgeprĂ€gt. Wir nehmen das zum Anlass, unser Debattenformat in Zukunft besser zu gestalten. Unsere GĂ€ste mĂŒssen in angemessenem Umfang zu Wort kommen können, um ihre Gedanken zu prĂ€sentieren — auch dann, wenn uns eine Reaktion auf das unmittelbar Gesagte unter den NĂ€geln brennt.

    Das bedeutet aber nicht, dass wir eine belanglose Interview-Show werden wollen, in der wir einfach alles abnicken. Es geht uns um Inhalte. Über sie mĂŒssen wir zivilisiert streiten können. Kritik ĂŒben und Kritik einstecken.

    Ihr könnt die Debatte auch auf YouTube anschauen:

    https://youtu.be/lhrOMj7G7cQ?si=pvYyrjc4SqU78zN_

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    II - In die Show steigen wir mit der Geschichte von Lauren Southern ein (00:08:00). Lauren Southern wurde als antifeministische, rechtsradikale YouTuberin berĂŒhmt. Heute ist sie weniger radikal. Unter anderem, weil sie als Tradwife die Hölle auf Erden erlebt hat.

    “Tradlife” und “Tradwife” ist eine Internet-Bewegung, die vermeintlich klassische Rollenteilung in der Familie in einer Art reaktionĂ€rer Fantasie zelebriert. Der Mann verdient Geld und trifft die grossen Entscheidungen. Die Frau ordnet sich dem Mann unter und kocht, putzt und schaut zu den Kindern.

    Auch Southern war eine Verfechterin des Tradwife-Modells — bis sie es selber ausprobierte. Über ihre Erfahrungen berichtet sie in einem im Mai erschienenen Artikel (https://unherd.com/2024/05/lauren-southern-the-tradlife-influencer-filled-with-regret/).

    “Traditionelle” Rollenverteilungen in Ehen sind natĂŒrlich an sich kein Problem, wenn das fĂŒr alle Beteiligten so stimmt. Ein Problem entsteht dann, wenn sich Menschen in einen solchen Lebensentwurf hineinbegeben, weil sie aufgrund ideologischer Berieselung das GefĂŒhl haben, dass sie das mĂŒssen.

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    III - Ende April erschien in der SonntagsZeitung in der Schweiz ein Artikel mit dem spektakulĂ€r klingenden Titel “Mental Health: Die eingebildete Krise” (https://www.tagesanzeiger.ch/psychische-gesundheit-gibt-es-die-mental-health-krise-wirklich-413348901307). (Segment ab 00:26:42)

    Zum Artikel gab es viele negative Reaktionen, weil bereits der Titel suggeriert, die Situation mit psychischen Krankheiten sei nicht gar so schlimm — die Betroffenen wĂŒrden sich die Dinge vielleicht sogar nur einbilden. Die zentrale Aussage des Artikels ist, dass psychische Krankheiten nicht hĂ€ufiger oder, indirekt, schwerer werden.

    Das kann sein. Wir haben genauer hingeschaut. Und stellen fest: Im Artikel wird eine Geschichte konstruiert, die angesichts der verfĂŒgbaren Datenlage so nicht stimmt. Nicht nur wird medienethisch unlauter mit Auslassungen, Ablenkungsmanövern und Halbwahrheiten manipuliert — der Artikel widerspricht sich selber.



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    Alle Probleme der Welt lassen sich auf einen einzigen Konflikt zurĂŒckfĂŒhren: Die Bourgeoisie beutet die Arbeiterschaft aus. Wollen wir gesellschaftliche Probleme lösen, mĂŒssen wir das VerhĂ€ltnis von Kapital zu Arbeit verĂ€ndern.

    So in etwa lĂ€sst sich das analytische Schema einiger Leute im linken Spektrum zusammenfassen. Ist das ein prĂ€ziser Blick auf die gesellschaftlichen ZustĂ€nde? Wir denken, nein: Der Hyper-Fokus auf Klassenfragen mĂŒndet in Klassenreduktionismus. DarĂŒber reden wir in der heutigen Bonusfolge.

    Es gibt Formen der gesellschaftlichen Benachteiligung, es gibt gesellschaftliche Konfliktlinien, die nicht primĂ€r oder ĂŒberhaupt nicht auf ökonomische Benachteiligung zurĂŒckzufĂŒhren sind. Ein Beispiel: Der oberste Gerichtshof der USA, durch Trump und die republikanische Partei in den Jahren zuvor stĂ€rker rechtskonservativ besetzt, hob 2022 das landesweite Recht auf Abtreibung auf. Die Konsequenz war eine drastische EinschrĂ€nkung des Rechtes und der Möglichkeiten fĂŒr Schwangerschaftsabbruch in zahlreichen US-Bundesstaaten.

    Diese Konfliktlinie ist nicht in erster Linie ökonomisch motiviert. Die EinschrÀnkung der Rechte von Frauen ist die Folge rechtskonservativer bis fundamentalistisch religiöser Wertvorstellungen. Das gibt es auch. Die Welt ist vielschichtig, und gesellschaftliche Benachteiligung kann entsprechend intersektional sein.

    Klassenreduktionismus ist letztlich ein anschaulicher Fall des Maslow’schen goldenen Hammers: Wenn das einzige Werkzeug, das wir benutzen, ein Hammer ist, sieht jedes Problem wie ein Nagel aus. Immer ĂŒberall nur Klassenkampf zu sehen, ist ein Denkfehler.

    NatĂŒrlich kann es genauso ein Denkfehler sein, die materielle, ökonomische Ebene gĂ€nzlich auszublenden und nur auf Gruppennachteile zu fokussieren. Das ist beispielsweise die Grundlage fĂŒr PhĂ€nomene wie Pinkwashing: Grosskonzerne geben sich sehr inklusiv und setzen in ihrer PR auf DiversitĂ€t — beuten in Tat und Wahrheit aber just jene Minderheiten ökonomisch aus, die sie in ihrer PR zelebrieren.

    Die Welt ist komplex. Wir mĂŒssen uns ihrer KomplexitĂ€t annehmen und allzu einfache “One Size Fits All”-Lösungen vermeiden. Wer glaubt, mit einem einfachen Modell alles zu erklĂ€ren, erklĂ€rt letztlich nichts.

  • In Folge 2 steigen wir mit einem Thema ein, das wir letzte Woche aus ZeitgrĂŒnden ausgelassen hatten: Eso-MĂ€rchenstunde beim Schweizer Fernsehen SRF. Im Dokumentarfilm “Der Wunderheiler – Energietherapie als ErgĂ€nzung zur Schulmedizin?” transportiert SRF einen Wunderheiler der Krankheiten auf einer “feinstofflichen” Ebene herausmassieren kann. Quacksalberei der ganz alten Schule. Dass es Menschen gibt, die solchen Humbug anbieten, ist nicht verwunderlich. Dass SRF derart unkritisch solch voraufklĂ€rerischen Gugus aufgreift, hingegen schon.

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    In den USA finden an Dutzenden Hochschulen pro-palĂ€stinensische Proteste statt — und die Reaktionen darauf sind eine totale diskursive und politische Entgleisung. Die Rede ist von “Terrorcamps” und antijĂŒdischen Pogromen; einige Hochschulleitungen lassen die Proteste mit massiven, militarisierten PolizeieinsĂ€tzen auflösen.

    Ist an den Protesten alles in Ordnung? Nein, natĂŒrlich nicht. Wie bei allen Protesten gibt es Personen, deren Verhalten und Ansichten inakzeptabel sind. Und Studi-Proteste sind allgemein immer ĂŒberzeichnet, theatralisch, nicht selten cringe. Aber bei der Skandalisierung der Proteste geht es mehr um das Bedienen von Culture War-Narrativen als um die tatsĂ€chlichen Inhalte.

    Bei den Anti-Vietnamkrieg-Protesten in den 1960er Jahren gab es auch Studierende mit inakzeptablen Ansichten, und auch jene Proteste fokussierten auf Kritik an einer Seite des Konfliktes. Waren darum alle Protestierende automatisch pro Vietcong, pro Terror, pro Diktatur? Nein, natĂŒrlich nicht. Eine solche Pauschalisierung ist, damals wie heute, nicht nur unterkomplex, sondern einfach nur absurd. In der Kakophonie der Aufregung gehen alle analytischen Grautöne verloren.

    Das “Lustige” an der ganzen Skandalisierung des Spektakels der Proteste: GĂ€be es die ganze Aufregung und die massiven PolizeieinsĂ€tze nicht, wĂŒsste wohl kaum jemand, dass ĂŒberhaupt etwas an den Hochschulen passiert.

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    Das Hauptgericht der heutigen Folge: Ein StreitgesprĂ€ch mit Mitgliedern des Schweizer Ablegers von “Der Funke” (ca. ab 00:45:30).

    Der Funke ist Teil der “International Marxist Tendency” (IMT), einer marxistischen Organisation mit Sitz in London. Der Funke grĂŒndet im Mai 2024 die “RevolutionĂ€re Kommunistische Partei” RKP in der Schweiz. Ihr Ziel: Die kommunistische Revolution in der Schweiz herbeifĂŒhren.

    Da hat uns natĂŒrlich interessiert: Wie soll das aussehen? Unsere Debatte mit Oli und Caspar ist ziemlich lang und ziemlich hitzig ausgefallen. Schon zu Beginn, als wir ĂŒber die Organisationsstruktur reden, wird es konfrontativ. Wir schĂ€tzen es sehr, dass Der Funke zu dieser Debatte bereit war, und unsere sehr tiefgreifende Kritik richtet sich nicht an Personen, sondern an ihre Ansichten und Argumente.

    Drei Punkte aus der Debatte wollen wir an dieser Stelle kurz ansprechen prÀzisieren.

    I - Urknalltheorie und IMT. Die IMT lehnt die physikalische Urknalltheorie ab, weil das mit Marxismus nicht kompatibel sei (Urknalltheorie soll “idealistisch” sein und Gott als Möglichkeit erlauben.). Wir sprechen das in der Debatte an, weil wir in der Vorbereitung gesehen haben, dass das bei der IMT relativ viel Gewicht hat — und wir das sehr bizarr finden. Unsere StudiogĂ€ste haben uns nachtrĂ€glich erklĂ€rt, dass das unfair war, weil wir das im VorgesprĂ€ch nicht als Thema definiert hatten. Das ist korrekt, wir hatten das im VorgesprĂ€ch nicht als Thema besprochen. Das Thema kam bei uns erst im Rahmen der Recherche richtig auf den Radar. Wir wollten sie damit nicht ĂŒberfallen, sondern einfach verstehen, was sie von dieser Position, die die IMT in London umfassend in Texten festhĂ€lt (der jĂŒngste ist von 2023), halten. Es ist eine weltanschauliche Position, die ihre Organisation seit vielen Jahren explizit vertritt. Zu fragen, was es damit auf sich hat, ist unseres Erachtens nicht unfair, auch wenn wir nicht vorab angekĂŒndigt haben, dass wir danach fragen wĂŒrden.

    II - Bernie Sanders und Eisenbahngewerkschaften. Im Rahmen der Diskussion, ob es etwas bringt, sich im aktuellen System demokratisch zu beteiligen, sagen unsere GĂ€ste, dass der linke US-Senator Bernie Sanders gegen Eisenbahngewerkschaften gestimmt habe; dies als Argument, dass das aktuelle System nicht funktioniere oder nicht funktionieren könne. Der Sachverhalt stimmt so aber nicht. Sanders stimmte Ende 2022 gegen ein Abkommen zwischen Eisenbahngewerkschaften und Eisenbahnunternehmen — weil darin fĂŒr Eisenbahnangestellte keine bezahlten Krankheitstage enthalten waren. Sanders’ Antrag, bezahlte Krankheitstage einzubinden, fand keine Mehrheit. Darum stimmte er gegen das Paket; es ging ihm zu wenig weit. Sanders wollte mehr fĂŒr die Gewerkschaften, nicht weniger. Dieses Mehr erreichte er auch: Dank anhaltendem öffentlichen Druck massgeblich durch Sanders lenkten die Eisenbahnunternehmen im Mai 2023 ein und fĂŒhrten bezahlte Krankheitstage ein (https://www.theguardian.com/business/2023/may/01/railroad-workers-union-win-sick-leave).

    III - Der Funke / IMT / RKP und trans Menschen. Gegen Ende der Debatte sagt Robin, der IMT seien trans Menschen nicht wichtig. Das verneinen Oli und Caspar energisch. Diese Behauptung war so von unserer Seite falsch, da zu ungenau und zu unprĂ€zise. Im “Manifest der RevolutionĂ€ren Kommunistischen Internationale” (https://www.marxist.com/manifest-der-revolutionaeren-kommunistischen-internationale.htm) steht:

    > Das heißt: Wir sind gegen UnterdrĂŒckung und Diskriminierung jeder Art, sei sie gegen Frauen, ethnische Minderheiten, Homosexuelle, Transpersonen oder irgendeine andere unterdrĂŒckte Gruppe oder Minderheit gerichtet.

    Sofort danach steht aber Folgendes:

    > Aber wir lehnen die IdentitĂ€tspolitik kategorisch ab, die vorgibt, die Rechte einer bestimmten Gruppe zu schĂŒtzen. Unter diesem Deckmantel spielt sie eine reaktionĂ€re und spaltende Rolle, die letztlich die Einheit der Arbeiterklasse schwĂ€cht und der herrschenden Klasse einen unschĂ€tzbaren Dienst leistet.

    > Die Arbeiterbewegung hat sich mit allen möglichen klassenfremden Ideen infiziert: Postmodernismus, IdentitĂ€tspolitik, „politische Korrektheit“ und all der andere bizarre Unsinn, den das „linke“ KleinbĂŒrgertum, das als Riemen fĂŒr klassenfremde und reaktionĂ€re Ideologie fungiert, von den UniversitĂ€ten eingeschmuggelt hat.

    Die SolidaritĂ€t mit vulnerablen Gruppen wird betont, um danach eine Invektive gegen “IdentitĂ€tspolitik”, Postmodernismus, “politische Korrektheit” und sonstigen “klassenfremde Ideen” zu platzieren. Hier sehen wir das Problem: Hyper-Klassenreduktionismus. Es ist offenkundig irrational, alles immer nur als Klassenkampf zu verstehen — und als einzige Lösung eine nebulöse Revolution in der Zukunft zu postulieren. Ein Beispiel. Zu kritisieren, dass die republikanische Partei in den USA die reproduktiven Freiheiten von Frauen massiv einschrĂ€nkt, ist nicht “IdentitĂ€tspolitik”, und die Situation wird in keiner Weise verbessert, wenn man auf einen Klassenkampf verweist, der irgendwann irgendwie stattfinden soll. Die Konsequenz dieses Hyper-Klassenreduktionismus: Die vulnerablen Gruppen, um die es geht, werden in ihrer Benachteiligung und UnterdrĂŒckung letztlich allein gelassen. Die angebliche SolidaritĂ€t mit den Betroffenen ist nichts als ein hohles Lippenbekenntnis.



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    Bereits nach unserer ersten Show kam die Kritik, dass es nicht in Ordnung sei, mit Menschen zu reden, die ideologisch rechts stehen. Über diese Kritik reden wir in dieser Bonus-Folge.

    Wir machen, was wir machen, aus mindestens drei GrĂŒnden. Erstens ist nicht jede Person, die ideologisch rechts steht, automatisch ein verrĂŒckter Nazi, dessen Ansichten wir mit einem Auftritt bei uns Normalisieren.

    Zweitens: Nennt uns naiv, aber wir glauben aufrichtig, dass öffentliche Debatten, dass Diskurs, dass der “Marketplace of Ideas” in einer Demokratie wichtig ist. Besonders, wenn es um Ideologien und Ansichten geht, die problematisch sein können. Wir bieten nĂ€mlich nicht einfach eine unkritische BĂŒhne, sondern bringen aktiv Gegenargumente und Gegenrede. Das ist fĂŒr Menschen, die nicht schon mit hoher Confidence wissen, was sie glauben wollen, wertvoll.

    Und drittens: Wir wollen interessanten, abwechslungsreichen Content bieten. Der inhaltliche Mix, den wir anpeilen, enthÀlt Debatten, erschöpft sich aber nicht in ihnen. Wenn wir immer nur unter uns bleiben und nur mit Menschen reden, die alles genauso sehen wie wir, ist das schlicht etwas eintönig.

    tl;dr: Wir wollen Teil der breiteren Debatte sein, und dazu gehört auch, sich kritisch mit anderen Meinungen auseinanderzusetzen. Nicht ausschliesslich, aber auch Face to Face im direkten Austausch.

  • Willkommen bei der allerersten Folge von Zeitgeister!

    In Folge 1 reden wir ĂŒber den Rechtsaussen-Journalisten bzw. Kommentator bzw. Demagogen Tucker Carlson, der bei Joe Rogan erklĂ€rt, warum die Evolutionstheorie falsch ist und warum Ausserirdische in den Ozeanen versteckt wohnen. Man lernt nie aus.

    Auch diskutieren wir ĂŒber das World Press Photo of the Year. Das Foto zeigt eine palĂ€stinensische Frau, die um ihre tote Nichte trauert. Ein Bild, das unabhĂ€ngig davon, wie man zu Israel und PalĂ€stina steht, einfach nur weh tut. Doch es gibt Leute, die meinen: Das Foto ist Fake.

    Der Hauptblock der Folge ist eine Debatte mit Ronnie Grob. Ronnie ist Chefredaktor der Zeitschrift "Schweizer Monat" und setzt sich fĂŒr eine "liberale" Gesellschaft ein. Mit ihm debattieren wir ĂŒber Liberalismus, "Wokeness", Bitcoin und den Goldstandard. Spoiler: Wir haben nicht immer dieselbe Meinung.



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