Episoder

  • An ihrer künstlerischen Begabung, ihrem Talent gab es von Anfang an
    keinen Zweifel: Max Liebermann und Adolph Menzel, die beiden
    berühmtesten deutschen Künstler der Jahrhundertwende, erkannten es
    sofort und förderten sie. Dem deutschen Kaiser aber war sie zu
    sozialkritisch – denn ihre erste berühmte Radierfolge bezog sich auf
     "Die Weber", Gerhart Hauptmanns legendäres Theaterstück, das den
    Naturalismus begründete. Und wie Hauptmann zeigte auch Kollwitz das Leid
    der Weber, ihren täglichen Kampf ums Überleben, ihre gemarterten Körper.
    Dieses Dilemma begleitet die Kunst von Käthe Kollwitz fortan ihr ganzes
    Leben lang – Begeisterung für ihren genialen Umgang mit dem Stift und
    zugleich Ruhm und Schmähungen dafür, dass sie ihre Kunst immer in den
    Dienst der sozialen Sache stellte.

    Florian Illies und Giovanni di Lorenzo erzählen in der neuesten Folge
    des Podcasts "Augen zu" vom Leben und Wirken dieser außergewöhnlichen
    Frau, die von 1867 bis 1945 lebte. Wenn es in der ersten Hälfte des 20.
    Jahrhunderts eine politische Künstlerin in Deutschland gab, dann sie:
    Sie zeigt in ihren Zeichnungen und Druckgrafiken das Leid der Armen und
    Ärmsten, die toten Augen der Witwen des Ersten Weltkrieges und die
    ausgemergelten Leiber der hungernden Kinder der Weimarer Republik. Sie
    arbeitete für die SPD und die KPD, entwarf Plakate gegen den Krieg und
    gegen die soziale Ungerechtigkeit – und kämpfte voll glühender
    Leidenschaft für eine gerechtere Welt. 

    Das Schicksal selbst war ungerecht zu ihr – sie verlor im Ersten
    Weltkrieg ihren Sohn und im Zweiten Weltkrieg ihren Enkel. Über das
    Trauern hat sie nicht nur deshalb Werke von zeitloser Größe und Würde
    geschaffen – eine dieser trauernden Mütter erinnert heute in Berlin im
    Mahnmal Unter den Linden alle Zeit und alle Völker daran, welch
    menschliches Leid jeder Krieg gebiert.

    Wie kaum jemand sonst konnte sie mit ihrem Stift den menschlichen Körper
    und das menschliche Antlitz eine Vielzahl existenzieller Gefühle
    ausdrücken lassen, die Angst, den Schmerz, die Trauer, jede ihrer
    Figuren ist also auf eine ganz eigene und dann doch auch wieder ganz
    allgemeine Weise vom Leben gezeichnet. Und dass die Gestalten auf ihren
    Blättern oft die markanten Gesichtszüge der Kollwitz selbst zeigen,
    demonstriert, auf welch seltene Weise sie sich auf das Leid ihres
    Gegenübers einlassen konnte – weil sie selbst in sich einen Echoraum
    dafür hatte.

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  • Sie nannten ihn "El Greco", weil er aus Griechenland kam, das war
    ungewöhnlich genug im sechzehnten Jahrhundert, dass einer der großen
    Künstler den Seeweg aus dem Osten in den Westen nahm: In Venedig, wo er
    1568 von Kreta aus landete, saugte er die Malerei von Tizian und
    Tintoretto in sich auf, dann ging es weiter nach Rom, wo er die ganze
    große Renaissancekunst verschlang, doch dann zog es ihn weiter, nach
    Spanien, weil seine Form katholischer Kunst von den Italienern nicht
    verstanden wurde. Auch in Madrid rieben sich die Menschen die Augen,
    doch dann, im benachbarten Toledo, fand er den Ort seines Lebens und
    erfand eine neue Form der katholischen Malerei: voller Gefühl, voller
    Leidenschaft, die Figuren überlängt, zum Himmel hinauf greifend. Und
    alles getaucht in eine eigentümliche Farbigkeit, seine Mäntel schillern
    metallisch, seine Himmel wirken flackernd wie am jüngsten Tag.

    Dieser absoluten Ausnahmefigur der europäischen Malerei widmet sich die
    neueste Folge von Augen zu, dem Kunstpodcast von ZEIT und ZEIT ONLINE.
    Florian Illies und Giovanni di Lorenzo stellen El Greco vor und fragen,
    was ihn so sonderbar und so besonders macht. Ihr Fazit: 

    El Greco fand einen malerischen Ausdruck für Spiritualität, dafür
    liebten ihn die Kardinäle – und die Menschen. Dann geriet er in
    Vergessenheit, er war zu sonderbar für das Zeitalter des Barock. Und so
    dauerte es dreihundert Jahre, bis die größten Maler der Moderne, nämlich
    Cézanne und Van Gogh, El Greco für sich entdeckten und an ihn glaubten
    wie er einst an Gott. 

    Die Begründer der Moderne machten ihn zum wahren Urvater des
    Expressionismus, weil er als Erster begonnen hatte, das Gefühlsinnere
    der Figuren in ihrer äußeren Gestalt sichtbar werden zu lassen. Und weil
    El Greco, der in seiner griechischen Jugend Ikonenmaler gewesen war, es
    geschafft hatte, auch auf seinen eigenen Bildern die Perspektive nicht
    so ernst zu nehmen wie die Hochmeister der Renaissance – dafür aber den
    Menschen. Und genau deshalb bis heute so direkt zu den Menschen spricht
    wie kaum ein anderer Maler der Zeit vor und um 1600.

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  • Manglende episoder?

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  • Bei der französischen Bildhauerin Camille Claudel gibt es drei Ebenen,
    die kaum voneinander zu trennen sind: Da ist einmal die kühne,
    eigenständige Bildhauerin, die schon als Kind mit Ton formt und
    Skulpturen von ungeheurer emotionaler Durchdringung schafft. Da ist
    dann, zum zweiten, das Modell, die Muse, die Geliebte von Auguste Rodin,
    dem großen französischen Bildhauer, mit dessen Werk und Lebensgeschichte
    sie auflöslich verbunden ist. Und da ist, drittens, ihre tragische
    Lebensgeschichte, ihr Verfolgungswahn, der sie ins Irrenhaus bringt und
    ihre kaltherzige Familie, die sie dort dreißig unendliche Jahre belässt,
    obwohl sie längst als geheilt galt. In der neusten Folge von Augen zu,
    dem Kunstpodcast von ZEIT und Zeit Online versuchen Florian Illies und
    Giovanni di Lorenzo sich entlang dieser drei Erzählstränge dem Leben und
    Werk dieser außergewöhnlichen Frau zu nähern. 

    Sie erzählen von einer ungeheuren kreativen Begabung, fragen nach ihrer
    künstlerischen Bedeutung, beleuchten das Verhältnis von Claudel zu
    Rodin, fragen, was er von ihr gelernt haben könnte. In ihrem Werk hat
    Claudel die traumatische Trennung von Rodin bildhauerisch verarbeitet –
    eine Figur davon, die Flehende ist gerade von der Alten Nationalgalerie
    in Berlin angekauft worden und erzählt nun dort von der Verzweiflung
    einer Verlassenen und von der Fähigkeit dieser Verlassenen, tiefe
    Gefühle in Bronze zu gießen.

    Zugleich wird im Podcast aber auch die Geschichte ihrer Ausgrenzung aus
    der Gesellschaft erzählt und gefragt, wie diese und die Verfilmung ihres
    Lebens mit Isabelle Adjani und Gérard Depardieu in den Hauptrollen oft
    auch einen unkritischen Blick auf das Werk Claudels erschwert. Kommt sie
    künstlerisch an das Gesamtwerk Rodins, der den Denker schuf und Die
    Liebenden heran oder gilt er zurecht als der Größere der Beiden? Auch an
    diese aufgeladene Frage wagen sich Florian Illies und Giovanni di
    Lorenzo heran.

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  • In Augen zu, dem Podcast von ZEIT und ZEIT ONLINE, geht es das erste Mal
    um einen lebenden Künstler: den italienischen Konzeptkünstler Maurizio
    Catellan, der im Jahre 1960 in Padua geboren wurde. Es gibt kaum einen
    Künstler, auf dessen Aktionen von Anfang an mit genauso viel Staunen wie
    Empörung reagiert wurde.  Seine Satiren segeln immer scharf entlang an
    den Grenzen des Geschmacks, der Moral und des Humors. 

    Weltberühmt sind vor allem zwei Werke von ihm, beide zeigen lebensechte
    Wachsfiguren historischer Figuren in einer verstörenden Situation: Im
    Jahre 1999 entstand Die neunte Stunde – sie zeigt den von einem
    Meteoriten getroffenen Papst Johannes Paul II. und 2002 schuf Catellan
    Him, ein auf den Knien um Verzeihung bittender Adolf Hitler. Beide Werke
    gelang etwas, was in der Gegenwart zeitgenössischer Kunst eigentlich
    kaum noch gelingt: Tabus zu verletzen. Wie kann der Papst der
    Stellvertreter Gottes auf Erden sein, wenn er nicht weiß, dass er von
    einem Meteoriten getroffen wird? Und darf man Adolf Hitler als
    Wachsfigur nachbilden und dann noch in einer Haltung, die ihn um
    Vergebung bitten lässt? Aber Florian Illies und Giovanni di Lorenzo sind
    sich in dem Podcast Augen zu einig: Wir sollten ihm für seine Kunst und
    Provokation dankbar sein.

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  • In der neuesten Folge von Augen zu, dem Podcast von ZEIT und ZEIT ONLINE
    geht es um eine außergewöhnliche Frau: die schwedische Malerin Hilma af
    Klint (1862–1944). Seit vor einigen Jahrzehnten ihr malerisches Werk aus
    dem beginnenden zwanzigsten Jahrhundert bekannt wurde, diskutiert die
    Kunstwelt, ob die ungewöhnlichen Ornamente in poppiger orange- und
    rosafarbener Gestaltung plötzlich als der Beginn der abstrakten Malerei
    angesehen werden sollten.

    Bislang galt Wassili Kandinsky als der unangefochtene Pionier bei der
    Frage, wer die Kunst der Moderne in die Abstraktion überführte – eine
    Ausstellung in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf lädt
    jetzt bis zum 11. August ein, sich selbst ein Urteil zu bilden, ob das
    weiterhin richtig ist. Denn im Düsseldorfer Museum werden unter dem
    Titel Träume von der Zukunft die abstrakten Anfänge von Kandinsky denen
    von Hilma af Klint gegenübergestellt. Die Ausstellung ist kuratiert von
    Julia Voss, der deutschen Kunsthistorikerin, die der Welt das Werk von
    af Klint erschlossen hat.

    Florian Illies und Giovanni di Lorenzo diskutieren in ihrem Podcast, ob
    nun die Geschichte der Abstraktion umgeschrieben werden muss – oder ob
    Kandinskys Gesamtwerk nicht doch höher einzuschätzen ist als die frühen
    malerischen Experimente der schwedischen Esoterikerin, die ihre
    Bildinhalte aus Séancen gewonnen hat.

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  • In der neuesten Folge des Podcasts "Augen zu" werfen Florian Illies und
    Giovanni di Lorenzo einen genauen Blick auf den russischen Maler Wassili
    Kandinsky. Er kam um 1900 aus Russland nach München und hat dort und in
    Murnau bis 1914 der abstrakten Kunst entscheidende Anstöße gegeben. In
    seiner Malerei wird der märchenhafte, schwermütige Ton in der
    kraftstrotzenden Baeyrischen Voralpenlandschaft immer mehr von einer
    vitalen Farbenergie abgelöst, die sich zunehmend von allen realen
    Bezügen löst. 

    In enger Kollaboration mit der Malerin Gabriele Münter entwickelt er
    eine süddeutsche Form des Expressionismus, die auch durch die Nähe zu
    den Malerkollegen Jawlensky und Werefkin immer eine dunkle russische
    Tonspur behält. Mit der Künstlervereinigung Der Blaue Reiter galoppiert
    Kandinsky dann weiter in Richtung Zukunft – die für ihn mit seinen
    tiefen esoterischen Vorlieben immer eine Entdeckung des "Geistigen in
    der Kunst" bedeutet.

    Was bleibt von dieser Ausnahmefigur, die 1914 nach Russland zurückkehrt
    und nach dem Krieg ein Lehrer am Weimarer Bauhaus wird? Das fragen
    Florian Illies und Giovanni di Lorenzo in der neuesten Folge von "Augen
    zu", dem Kunstpodcast von ZEIT und ZEIT ONLINE.

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  • Die Pop-Art war eine Welle, die in den 1960er-Jahren von New York aus
    erst über Amerika und dann über die ganze Welt schwappte: Ganz oben auf
    dieser Welle surfte von Anfang an neben Andy Warhol der smarte Roy
    Lichtenstein. Er hat aus Comics und Anzeigen winzige Bildchen zu
    riesigen Gemälden aufgebläht – um deren Gleichwertigkeit mit den großen
    Kunstwerken zu demonstrieren und um zugleich durch die Aufblähung der
    Wortfetzen aus den Comics deren Pathos ins Groteske zu steigern.
    Lichtensteins Form widerlegt also stets ihren Inhalt.
    Nachdem eine Generation zuvor die amerikanischen Expressionisten wie
    Jackson Pollock mit sehr großem Ego und sehr großer Gestik die Kunst
    beherrscht hatten, hebelt Lichtenstein lustvoll dieses Heldentum der
    Individualität aus, indem er bewusst auf industrielle Vorlagen setzt und
    auf die Gestaltung der Gefühlslosigkeit. Berühmt wird Lichtenstein
    dadurch, dass er die Rasterpunkte der grafischen Vorlagen in riesige
    Dots auf den Leinwänden übersetzt und dabei also auch noch einen Gruß
    zurück ins vergangene Jahrhundert, zu den französischen Pointillisten
    sendet, die als erste geglaubt hatten, dass die ganze Welt in Wahrheit
    aus Punkten aufgebaut ist.

    In "Augen zu", dem Kunstpodcast von ZEIT und ZEIT ONLINE ergründen
    Florian Illies und Giovanni di Lorenzo die Biografie des amerikanischen
    Künstlers und seinen Rang in der Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts.
    Und zum Abschluss berichten sie von ihren persönlichen Bezügen zu ihm:
    bei Illies stand Roy Lichtenstein auf dem Plan für die Abiturprüfung und
    wer Giovanni di Lorenzo in seinem Büro besucht, der stößt dort auf eine
    Grafik Lichtensteins, die Teil der legendären Kunstsammlung der ZEIT
    ist.
    Wer Lichtensteins kaltblütige Zerlegung seiner hochemotionalen Vorlagen
    aus der Konsumwelt in ganzer Fülle anschauen möchte, der hat dazu bis
    zum 14. Juli in der Albertina in Wien Gelegenheit, die die Ausstellung
    "Roy Lichtenstein – Zum 100. Geburtstag" zeigt.

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  • In der neuesten Folge des Podcasts "Augen zu" von ZEIT und ZEIT ONLINE
    widmen sich Florian Illies und Giovanni di Lorenzo einem der weltweit
    bekanntesten Künstler überhaupt, der zugleich bis heute einer der
    umstrittensten ist: Salvador Dalí. Er erlebte in den Zwanzigerjahren
    einen kometenhaften Aufstieg, als er mit Luis Buñuel den Film "Der
    andalusische Hund" drehte und kurz darauf zu einem Fixstern der Pariser
    Surrealisten wurde.

    Mit seiner exzentrischen Partnerin Gala, die auch seine Managerin und
    geistige Dompteuse war, entwickelte er in wenigen Jahren ein
    künstlerisches Universum von größter Unverwechselbarkeit: Wie in
    Fieberträumen zerfließen auf seinen Bildern, etwa dem berühmten "Die
    Beständigkeit der Erinnerung" von 1933, die Uhren, die auf toten Bäumen
    hängen, die Gliedmaßen der Menschen und der Tiere verlängern sich ins
    Unendliche und über allem scheint eine fahle Sonne, als sei es mit der
    ganzen Erde bald vorbei. Diese verstörenden Endzeitszenarien zogen die
    Menschen in ihren Bann – erst in Europa, dann in Amerika, wo der
    exzentrische Dalí mit Glöckchen in den Taschen durch New York spazierte,
    damit er auch ja von allen Passanten gesehen wurde.

    Er war selbstsüchtig, größenwahnsinnig, egoman und geldgierig, hatte
    zahllose perverse Neigungen, die er in seiner Kunst verarbeitete – und
    eventuell waren die Werke aus den zehn Jahren von 1929 bis 1939 doch
    entscheidend für die Kunstentwicklung des 20. Jahrhunderts. Obwohl Dalís
    Werke als Poster in Millionen Jugendzimmern gehangen haben. Obwohl es
    ihm am Ende nur ums Geld und nicht mehr um die Kunst ging. Das Fazit von
    Florian Illies und Giovanni di Lorenzo: Dalí ist ein Beispiel dafür, wie
    schwer es oft ist, Werk und Autor voneinander zu trennen. Aber manchmal,
    wie hier, muss die Nachwelt ein kühnes Schaffen auch vor seinem
    politisch, emotional und sozial verwirrten Schöpfer schützen.

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  • In “Augen zu”, dem Kunstpodcast von ZEIT und ZEIT ONLINE, geht es in der
    neuesten Folge um einen ganz besonderen Außenseiter der Kunst des
    französischen Impressionismus: um Pierre-Auguste Renoir (1841–1919).
    Selbst seine Teilnahme am Deutsch-Französischen Krieg 1871 und sein
    Erleben des Ersten Weltkrieges trübten nicht seine heitere, sinnenfrohe
    Weltsicht: Er wollte, anders als so viele Künstler seiner Zeit, nicht
    die Moderne vorantreiben oder die Gesellschaft umwälzen. Er wollte
    einfach nur Frauen malen, Licht in den Bäumen und Obst auf dem Teller.
    Aber wie er das machte, mit unglaublicher technischer Meisterschaft und
    größtem Einfühlungsvermögen – das brachte ihm den Respekt und die Liebe
    der größten Maler seiner Zeit ein. Seit Studientagen war er eng
    befreundet mit Monet und Manet – und Cézanne bewunderte ihn genauso wie
    der Schriftsteller Marcel Proust. Renoir wurde als Porzellanmaler
    ausgebildet und war deshalb von Anfang an dem Dekorativen zugetan, seine
    freie Zeit verbrachte er im Museum und im Garten, den Fortschritt hielt
    er für überbewertet.

    Florian Illies und Giovanni die Lorenzo fragen in ihrem Podcast “Augen
    zu”: Was kann uns diese vor Lebensfreude strotzende Kunst heute in einer
    Zeit der Verzagtheit schenken? Was hat Renoir zu tun mit dem
    Lebensgefühl des französischen Rokoko? Und was hatte er für ein
    Frauenbild?

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  • Otto Dix zog in den Ersten Weltkrieg voller Neugier und Patriotismus –
    und das malte er auch. Er hörte aber auch nicht auf zu zeichnen und zu
    malen, als er die Schrecken des Kriegs, die Schmerzen, das Leid, die
    Hoffnungslosigkeit als Soldat am eigenen Leib erleben musste. Seine
    Werke aus dem Krieg sind Jahrhundertzeugnisse – und im Jahre 1929, zehn
    Jahre nach Kriegsende, war er dann in der Lage, die Traumata als Malerei
    neu verarbeiten: in dem spektakulären Werk "Der Krieg", das wie ein
    Altargemälde als Triptychon aufgebaut ist und auf eine so unmittelbare
    wie entrückte Weise aus der Herzkammer des Unheils erzählt.

    In der neuesten Folge von "Augen zu", dem Pocast von ZEIT und ZEIT
    ONLINE, tauchen Florian Illies und Giovanni di Lorenzo tief ein in das
    Werk des 1891 in Gera geborenen Otto Dix: Es durchzieht auf einzigartige
    Weise die Geschichte von vier deutschen Staaten. Es hebt an im späten
    Kaiserreich, tobt sich aus im Krieg, erfasst dann auf singuläre Weise
    die Eitelkeiten und Desaster der Weimarer Republik in seinen
    neusachlichen Gemälden aus Berlin, um dann im "Dritten Reich" in eine
    dreifache innere Emigration zu gehen (in die Landschaft des Bodensees,
    in die biblische Thematik und in die Malweise der Alten Meister). Nach
    1945 dann setzt Dix auf kernig unbekümmerte Weise sein Werk fort – sein
    unbarmherziger Blick auf den Menschen in Ausnahmesituationen ist
    unerreicht für die deutsche Kunst des 20. Jahrhunderts.

    In den Hamburger Deichtorhallen zeigt bis zum 1. April die Ausstellung
    "Dix und die Gegenwart", wie gerade seine Sensibilität für die
    Zeitläufte Dix bis heute zu einer zentralen Inspirationsquelle für die
    zeitgenössische Kunst machen.

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  • Es gibt vielleicht keinen lebendigeren, wilderen Jesus als jenen, der
    sich auf der berühmten "Darmstädter Madonna" vom Arm seiner Mutter den
    Betrachtern entgegenreckt. Aber der kühne, kalte, große Hans Holbein hat
    auch den toten Jesus gemalt, liegend, in Lebensgröße, und nie hat man
    einen toteren Jesus gesehen – der Schriftsteller Dostojewski war so
    geschockt davon, dass er einen Ohnmachtsanfall erlitt.

    Und egal, ob man vor seinen Werken vor Begeisterung oder vor Schrecken
    in Ohnmacht fällt, Hans Holbein besticht bis heute mit der Schönheit und
    Brillanz seines Werkes, obwohl seine Bilder vor 500 Jahren entstanden
    sind.

    In Augsburg, woher er stammte, dann in Basel, wo er seine großen
    Altarwerke schuf und schließlich in London, wo er am Hofe Portraits von
    bestechender Genauigkeit malte. Anna von Kleve malte er aber so schön,
    dass Heinrich der 8. von England sie auf der Stelle heiraten wollte -
    als das lebende Modell aber keineswegs der Schönheit des gemalten
    Portraits entsprach, da fiel Holbein beim König in Ungnade und die
    auserkorene Braut genauso.

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  • Es waren Jackson Pollocks wilde "Drip Paintings", die sie inspirierten,
    anders mit der Leinwand und der Farbe um zu gehen – aber Helen
    Frankenthaler fand ihren ganz eigenen Weg. Ihr ist die neueste Folge von
    "Augen zu" gewidmet, dem Kunstpodcast von ZEIT und ZEIT ONLINE.

    Helen Frankenthaler legte die Leinwand auch auf den Boden, aber dann
    ließ sie das Rot und das Blau darauf verfließen. Sie bearbeitete es mit
    Gegenständen und verdünnte es mit Terpentin. Daraus entstand Helen
    Frankenthalers eigener Beitrag zum abstrakten Expressionismus und der
    Farbfeldmalerei im New York der Fünfziger- und Sechzigerjahre. Bei ihr
    scheint die Farbe zu leben und zu atmen, ihre Bilder haben Noblesse und
    Chic und sie trotzen damit bis heute der kraftmeierischen gestischen
    Malerei ihrer männlichen Kollegen.

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  • In der neuesten Folge des Podcasts Augen zu von ZEIT und ZEIT ONLINE
    widmen sich Florian Illies und Giovanni die Lorenzo einem Maler, den
    sich zahllose Hörerinnen und Hörer gewünscht hatten: Edvard Munch.

    Anhand seiner Malerei aus der Zeit um 1890 gehen die beiden Gastgeber
    der Frage nach, was eigentlich das "Neue" in der Kunst ist – und wie es
    gelingt, dass etwas Neues auch 150 Jahre später noch revolutionär wirken
    kann.

    Edvard Munch ist dafür ein exzellentes Beispiel: Mit ihm wurde das
    Innere des Menschen, sein Seelenleben, seine Ängste und Hoffnungen zum
    zentralen Bildthema – er entdeckte also gleichzeitig mit Sigmund Freud
    das Unbewusste und er verstand es, Bilder dafür zu finden.

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  • William Turner (1775 bis 1851) zog schon zu Lebzeiten die Menschen in
    seinen Bann – und diese Faszinationskraft hat bis heute nicht
    nachgelassen. Turner gelang es auf einzigartige Weise, die Elemente auf
    seinen Gemälden darzustellen, vor allem die Kraft des Lichts, das auch
    200 Jahre später noch von seinen Leinwänden strahlt.

    Florian Illies und Giovanni di Lorenzo erzählen in der neuesten Folge
    von Augen zu, dem Kunstpodcast von ZEIT und ZEIT ONLINE, aus dem Leben
    des englischen Ausnahmekünstlers und von seinen wichtigsten Werken.

    Am besten kann man Turner in der Londoner Tate Gallery bewundern, die
    seine Hauptwerke besitzt. Und um sich seinem schillernden Leben zu
    nähern, empfehlen Illies und di Lorenzo den für vier Oscars nominierten
    Film Mr. Turner.

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  • Zeit für eine kleine sommerliche Zwischenbilanz: Nach zwei Jahren und 24
    Folgen erzählen Florian Illies und Giovanni di Lorenzo diesmal von den
    Hintergründen ihres Kunstpodcasts und gewähren Einblicke in ihre Arbeit.
    Es geht um die Frage, welche Künstlerin oder welcher Künstler ausgewählt
    wird, warum beide ohne ein Skript arbeiten und sich spontan austauschen.
    Es geht auch um die ersten Kunsterlebnisse, die beide in ihren
    Kinderjahren prägten. Und Giovanni di Lorenzo will unbedingt von Florian
    Illies wissen, ob er schon einmal vor einem Kunstwerk geweint hat.

    Diese Folge von "Augen zu" wurde vor Publikum beim ZEIT ONLINE
    Podcast-Festival aufgezeichnet. Und so reagieren die beiden Gastgeber
    des Podcasts auch auf Fragen von Zuhörerinnen und Zuhörern: Es geht um
    den Wert von Kunst, über die Frage nach Malerei aus der DDR und über die
    jeweiligen Lieblingskünstler. Und natürlich auch um die große Frage,
    wann sich die beiden überhaupt nicht einig waren – bei Edward Hopper
    nämlich, bei Gabriele Münter und bei Joseph Beuys.

    Alle Folgen unseres Podcasts finden Sie hier. Lob, Kritik, Anmerkungen?
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  • In der neuesten Folge von Augen zu, dem Kunstpodcast von ZEIT und ZEIT
    ONLINE, unterhalten sich Florian Illies und Giovanni di Lorenzo über den
    ungewöhnlichen Werdegang von Gabriele Münter. 1899 reiste sie durch die
    USA und schuf dort Fotografien von großer Prägnanz. Dann studierte sie
    bei Wassily Kandinsky in München und wurde zu seiner Lebensgefährtin, um
    an seiner Seite eine der wichtigsten deutschen Expressionistinnen zu
    werden. Die Ölstudien von ihr und Kandinsky aus den Jahren 1906 und 1907
    sind stilistisch so eng verwandt, dass die Experten bis heute streiten,
    wem sie zuzuschreiben sind.

    Im Blauen Land um Murnau entdeckte Münter später die Landschaft, der sie
    sich am tiefsten verbunden fühlte und der sie ihre schönsten Gemälde
    entlockte: Farbteppiche aus leuchtenden Tönen, die bis heute für das
    stehen, was die Künstlergruppe Blauer Reiter ausmacht. 1923 lebte Münter
    in Schloss Elmau, um dort Gäste und Landschaft zu malen. 100 Jahre
    später sprachen Florian Illies und Giovanni di Lorenzo live vor Publikum
    über Münters bewegtes Leben.

    Neben ihren eigenen Werken hat die Künstlerin der Nachwelt ein weiteres,
    besonderes Geschenk gemacht: Im Keller ihres Hauses verwahrte sie über
    den Zweiten Weltkrieg eine einzigartige Sammlung mit Werken der Künstler
    des Blauen Reiters, die heute ein Schmuckstück in der Sammlung des
    Münchner Lenbachhauses sind.

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  • In der neuesten Folge des Kunstpodcasts „Augen zu“ von ZEIT und ZEIT
    ONLINE schauen Florian Illies und Giovanni di Lorenzo auf ein
    atemberaubendes Leben und auf nicht weniger atemnehmende Kunst: die
    Leinwände von Jean-Michel Basquiat, der 1960 in New York geboren wurde
    und schon 1988 an einer Überdosis Drogen starb.

    Sehr früh verfielen ihm Madonna und Andy Warhol – und der internationale
    Kunstmarkt. Basqiuat war der erste zeitgenössische Künstler, dessen
    Bilder über 100 Millionen Dollar kosteten. Dennoch haben seine wilden
    Leinwände, auf denen Expressionismus, Graffiti-Bildsprache und wütende
    politische Aussagen souverän verschmelzen, ihre Zartheit und Rohheit bis
    heute bewahrt.

    1982 war Basquiat der jüngste Künstler, der je auf einer documenta
    ausgestellt wurde – sechs Jahre später war er bereits tot. Der Tod
    seines Inspirators und Freundes Andy Warhol hatte ihn in eine tiefe
    Krise gestürzt. Er gilt inzwischen nicht nur als eine frühe Ikone der
    Black-Lives-Matter-Bewegung, sondern auch als einer der zentralen
    Erneuerer der gegenständlichen Malerei. Ja, er hat längst tatsächlich
    jene goldene Krone auf, die er in so viele seiner Kompositionen trotzig
    hineingemalt hat.

    In der Ausstellung "Painting Four Hands" der Pariser Fondation Louis
    Vuitton sind bis zum 28. August 2023 über 80 Gemälde zu sehen, die
    Basquiat gemeinsam mit Andy Warhol gemalt hat.

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  • Eine der wichtigsten Fotografinnen des 20. Jahrhunderts war lange Zeit
    nur dafür berühmt, am 30. April 1945 in Adolf Hitlers Münchner Badewanne
    abgelichtet worden zu sein – an jenem Tag, als dieser in Berlin Suizid
    beging. Sehr viele Details im Leben von Lee Miller (1907–1977) klingen,
    als stammten sie aus einem Hollywoodfilm oder einem Grimmschen Märchen:
    Etwa dass sie als Zwanzigjährige in New York auf der Straße von einem
    Mann vor einem herannahenden Laster gerettet wurde, der sich als Condé
    Nast entpuppte – also als der mächtigste Zeitschriftenverleger der Welt.
    Schon wenige Tage später zierte Lee Millers Gesicht das Cover von dessen
    Vogue. Sie war die Gefährtin von Man Ray und Charlie Chaplin und wurde
    später zur berühmten Kriegsfotografin. Florian Illies und Giovanni di
    Lorenzo widmen sich Lee Miller in der neuesten Folge von Augen zu, dem
    Kunstpodcast von ZEIT und ZEIT ONLINE.

    Das Bucerius Kunst Forum in Hamburg zeigt vom 10. Juni bis zum 24.
    September die große Ausstellung Lee Miller. Fotografien zwischen Glamour
    und Krieg.

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  • Kaum ein Maler der italienischen Frührenaissance schlägt uns bis heute
    so in den Bann wie Piero della Francesca (1412/20–1492). Er war ein
    echtes Universalgenie im Umkreis der italienischen Humanisten,
    philosophisch und theologisch hochgebildet und Autor mehrerer
    mathematischer Traktate. All dies ist in seine Darstellungen meist
    biblischer Themen eingeflossen – doch seine Darstellung der schwangeren
    Maria oder des auferstandenen Christus verblüffen in ihrer
    Unmittelbarkeit bis heute auch all jene, die weder in diesen
    theoretischen Debatten zu Hause sind noch im christlichen Glauben
    verankert wie die Betrachter in den Kirchen zu Entstehungszeit der
    Bilder.

    Am besten kann man Piero della Francesca bei einer Reise nach Arezzo,
    nach Rimini, nach Monterchi oder in seine Heimatstadt Sansepolcro
    kennenlernen. Dort könne man die Pinien, die geschwungenen Wege und den
    hohen blauen Himmel sehen, den er in den Hintergründen seiner Fresken
    und Gemälde verewigt hat.

    Außerdem erzählt Giovanni di Lorenzo in dieser Folge davon, wie er, der
    in Rimini aufgewachsen ist, nicht nur von früher Kindheit an mit dem
    Werk Pieros bekannt gemacht wurde – sondern dass es auch später sehr
    enge biografische Bezüge zu seiner Kunst bei ihm gab, als er filmische
    "Briefe aus Italien" schrieb.

    Genau an dem Tag, an dem Piero starb, dem 12. Oktober 1492, natürlich in
    seinem geliebten Sansepolcro, betrat übrigens sein Landsmann Kolumbus
    das erste Mal Amerika – so endete eine große Kulturepoche und es begann
    gleichzeitig eine neue.

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  • Ernst Ludwig Kirchner war kein jugendliches Genie, wie so viele große
    Figuren der Kunstgeschichte. Nein, Ernst Ludwig Kirchner begann sogar
    zunächst Architektur zu studieren, bevor er dann 1905 in Dresden mit
    anderen Studenten die Künstlergruppe Die Brücke gründete. Und damit jene
    heißblütige, grellfarbige Form des Expressionismus in Deutschland
    begründete, die das Ungestüme betonte – ganz anders als die Maler des
    Blauen Reiter um Wassily Kandinsky, August Macke und Franz Marc, deren
    elegische Erdverbundenheit gleichzeitig eine ganz andere
    expressionistische Spielart etablierte. Doch was macht Ernst Ludwig
    Kirchner zum wichtigsten deutschen Expressionisten? Diese Frage
    diskutieren Florian Illies und Giovanni di Lorenzo in der neuesten Folge
    von Augen zu, dem Kunstpodcast von ZEIT und ZEIT ONLINE.

    Wie kaum ein anderer Künstler seiner Zeit war Kirchner durchlässig,
    saugte die Eindrücke seiner Umgebung in sich auf und setzte sie direkt
    in seinen Zeichnungen und Aquarellen um. Solange er in Dresden wirkte,
    in den Jahren von 1905 bis 1911, ist sein Stil weich, farbenfroh,
    geprägt von der barocken Sinnlichkeit der Stadt an der Elbe. Mit seinem
    Umzug nach Berlin wird Kirchner dann zu einem besessenen Erfasser der
    Beschleunigung in der explodierenden Metropole – seine Figuren werden
    kantiger, zackiger, sein Stil wirkt so hektisch wie der Verkehr auf dem
    Potsdamer Platz. Und genau wegen dieser Kongenialität sind seine
    Zeichnungen und Gemälde der Straßenszenen vom Potsdamer Platz, die in
    den Jahren 1913 und 1914 erscheinen, wohl die gültigsten Darstellungen
    der Moderne, die es in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg in Deutschland
    je gegeben hat. Anders als die italienischen Maler des Futurismus, die
    die rasende Zeit bejubelten, legt Kirchner in seinen Werken die
    Sollbruchstellen im Verhältnis der Menschen zur Stadt und innerhalb der
    Geschlechter offen. Die Künstlergruppe Brücke überlebt den Umzug nach
    Berlin nicht.

    Der Erste Weltkrieg dann ist für den hypersensiblen Künstler ein
    traumatischer Schock – obwohl er nicht kämpfen muss. Allein die
    Ausbildungszeit im Militär stürzt ihn in tiefe Depressionen und
    Angstzustände, sein "Selbstbildnis als Soldat" von 1915 gibt davon
    Auskunft: Seine rechte Hand, mit der er malt und zeichnet, hat er
    verstümmelt dargestellt, bildhafter Ausdruck einer gefürchteten
    künstlerischen Impotenz durch die Schrecken des Krieges. Kirchner fällt
    in die Abhängigkeit von Drogen und Morphium, und es folgt eine lange
    Zeit in Sanatorien, die dann zu seinem finalen Umzug nach Davos führt.
    Hier, ganz oben in den Alpen, fühlt er sich den menschlichen Zumutungen
    so weit als möglich enthoben, nur Erna Schilling, seine Gefährtin seit
    Berliner Tagen, begleitet ihn.

    In den Zwanziger- und Dreißigerjahren versucht Kirchner hier, sich zu
    beruhigen und einen neuen Stil zu finden – die Bilder wirken, als wolle
    er immer aufs Neue die Puzzlesteine, in die sein Leben zerfallen ist,
    zusammenzufügen. Weil er unzufrieden ist mit den Reaktionen auf sein
    Werk, erfindet er mit Louis de Marsalle einen fiktiven Kunstkritiker,
    unter dessen Pseudonym er überall Lobpreisungen auf seine eigene Kunst
    veröffentlicht – nur so hatte er das Gefühl, die Kontrolle über sein
    Werk zu behalten. 1938 dann, nach dem Anschluss Österreichs, angesichts
    der herannahenden deutschen Truppen, der völligen Vergessenheit seines
    Namens und der gerade erfolgten Aktion "Entartete Kunst" in den
    deutschen Museen, die zahllose seiner Werke abhängte, nahm er sich
    verzweifelt das Leben. Hätte er nur gewusst, dass wir heute in ihm genau
    jene singuläre Künstlerfigur des deutschen Expressionismus sehen, als
    die er sich selbst empfunden hat.

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