Episodit
-
Die Band Kraftwerk war populäre Avantgarde. Die Band aus Düsseldorf hat vor allen Dingen konzeptuell gearbeitet und so eine visionäre Zukunft entworfen, die gleichzeitig zurückblickt auf jene Moderne, die durch die Gräuel des Nationalsozialismus ein jähes Ende fand. Das Album "Trans Europa Express" handelte von Parks und Palästen, die man ohne lange Grenzkontrollen bereisen konnte, und einem Kontinent, der langsam zusammenwuchs. Kraftwerk verwendeten dafür elektronische Klangmaschinen, sie verfremdeten die menschliche Stimme und brachten ihren Liedern beispiellosen Rhythmus bei. Der Titelsong "Trans Europa Express" wurde dabei insbesondere für Hip Hop und für Techno bahnbrechend. Diese Dokumentation wurde in Ö1 am 17. Juni 2024 gesendet. Die Playlist und Literaturliste zum Podcast finden Sie in den Shownotes
-
Dolly Parton erging es Ende der 1970er Jahre so wie vielen Millionen Frauen weltweit, die sich ihren Weg in die Arbeitswelt bahnen. Sie wollte gleiches Geld für gleiche Arbeit. Und eine gerechte Entlohnung. Das galt in den Vereinigten Staaten theoretisch seit 1963. In Boston gründete sich die Basisorganisation "Nine To Five" für arbeitende Frauen. Eine der Gründerinnen kannte die Schauspielerin Jane Fonda, sie produzierte 1980 einen gleichnamigen Film, der von den täglichen Diskriminierungen handelt, die sie in ihrem Umfeld regelmäßig beobachtet hat. Dolly Parton und Lily Tomlin spielten die weiteren Hauptrollen. Die Komödie "Nine To Five" wurde zum Überraschungshit. Er wird zu einem Kampfsong nicht nur der Gleichstellung, sondern der Gleichbehandlung. Diese Dokumentation wurde in Ö1 am 18. Juni 2024 gesendet. Die Playlist und Literaturliste zum Podcast finden Sie in den Shownotes
-
Puuttuva jakso?
-
1989 war Rainhard Fendrich in seinem Haus in Florida für etwas Ruhe und Entspannung. Die Nachbarn waren ebenfalls Österreicher, gaben sich allerdings als Schweizer aus. Denn die Waldheim-Affäre hinterließ international einen enormen Image-Schaden. Der ehemalige UNO-Generalsekretär und nunmehr österreichische Bundespräsident konnte sich an seine Mitgliedschaft in der nationalsozialistischen SA nicht erinnern und wurde von den meisten Weltmächten geächtet. Rainhard Fendrich plagte dennoch Heimweh. Und er schrieb die klandestine österreichische Bundeshymne schlechthin: "I Am From Austria". Der Sänger erinnerte sich darin an die "Dummheit, die zum Himmel schreit." Gleichzeitig wird Heimatliebe als etwas Naturwüchsiges gerahmt, der man sich schlechthin nicht entziehen kann. Diese Dokumentation wurde in Ö1 am 19. Juni 2024 gesendet. Die Playlist und Literaturliste zum Podcast finden Sie in den Shownotes
-
Im September 2008 musste die Investmentbank Lehman Brothers die größte Insolvenz der US-Geschichte anmelden. 100 Milliarden Schulden blieben offen, Armut und Hunger nahmen mit der Finanzkrise weltweit zu. Der belgische Musiker Stromae verband die historische Krise mit dem Schicksal eines einzelnen Lohnarbeiters. Ein Jahr nach der großen Bankenpleite veröffentlichte er einen Song mit einem höchst tanzbaren Beat und einem hintersinnigen Text. Zwischen Arbeit, Kredit und Krise blieb nur noch übrig zu tanzen, um die Sorgen zu vergessen. Das Video führt in einer Endlosschleife das Schicksal eines modernen Sisyphos vor Augen - Und täglich grüßt der Arbeitsplatz. Mit der Finanzkrise sind das gute Leben und die Aufstiegschancen für die Working Poor in weite Ferne gerückt. Diese Dokumentation wurde in Ö1 am 20. Juni 2024 gesendet. Die Playlist und Literaturliste zum Podcast finden Sie in den Shownotes
-
João Gilberto fing die neue Leichtigkeit der Moderne ein, die in Brasilien an den Stränden von Rio de Janeiro in der Luft lag, mit seinen neuen Flugzeugen, Fotokameras und fast endloser Freizeit. João Gilberto hatte zuvor seine Gitarrentechnik für einige Monate im Badezimmer seiner Schwester verfeinert, dort, wo in der Kolonialzeit wie im Rausch nach Gold und Diamanten geschürft wurde. "Chega de Saudade" gilt heute als erster Song einer neuen brasilianischen Welle, einer Bossa Nova. Der Song gibt dem Gefühl der "Saudade", einer unerklärlich wehmütigen Sehnsucht, eine bleibende Gestalt. Diese Dokumentation wurde in Ö1 am 21. Mai 2024 gesendet. Die Playlist und Literaturliste zum Podcast finden Sie in den Shownotes
-
1968 sprangen Toots & The Maytals auf einen neuen Tanz auf, der in der Hauptstadt von Jamaika getanzt wurde. Der Tanz "Reggay" ist bald vergessen, doch ein jamaikanisches Label, das von einem Briten gegründet wurde, exportierte den Sound früh nach Großbritannien, wo seit dem Zweiten Weltkrieg eine wachsende Zahl von Personen aus der Karibik hin migriert ist. Reggae machte die Welt mit den Ideen und dem Look der Rastafari bekannt. Diese war es noch nicht gewohnt, dass man über revolutionäre Gefühle in hellen, munteren und entspannten Melodien singt. Wie auf "Pressure Drop", das laut Bandleader Frederick "Toots" Hibbert von karmischer Rache handelt, wenn nämlich der Druck über einer Person hereinbrechen soll. Diese Dokumentation wurde in Ö1 am 22. Mai 2024 gesendet. Die Playlist und Literaturliste zum Podcast finden Sie in den Shownotes
-
Mathangi "Maya" Arulpragasam verbrachte die ersten elf Jahre ihres Lebens auf der Flucht vor der Armee von Sri Lanka. Ihr Vater war Teil des tamilischen Widerstands und später Vermittler im Konflikt. In London schlug sie eine Musikkarriere ein. Ihr Debütalbum wirbelte weltweit verstreute Stile durcheinander: Bhangra, Baile Funk, Miami Bass, Grime und Dancehall. Die Rhythmen einer globalisierten Diaspora waren durch die technologische Verfremdung gegangen, die Sounds waren oft "halbakustisch" - synthetisierte Alltagsgeräusche und Straßenlärm, die wild collagiert wurden. Der Song "Paper Planes" von 2008 arbeitete sich kurz nach Ausbruch der Finanzkrise an dem Versprechen ab, es in der westlichen Welt mit allen notwendigen Mitteln nach oben zu schaffen. Bis zuletzt blieb offen, ob das Ziel von M.I.A. damit Politik oder Kunst ist. Diese Doku wurde in Ö1 am 23. Mai 2024 gesendet. Playlist und Literaturliste finden Sie in den Shownotes
-
Miriam Makeba - bekannt als Mama Africa - brachte Südafrika zurück auf die Landkarte globaler Pop-Musik. Bereits in den 1950ern gründete sie eine rein weibliche Gesangsgruppe, sie engagierte sich gegen die Apartheid - die gesetzliche Trennung nach Hautfarben -, 1960 musste sie im Exil bleiben, wo ihr bald schon die südafrikanische Staatsbürgerschaft entzogen wurde. In den USA gewann sie mit Harry Belafonte als erste Frau aus Afrika einen Grammy Award und sprach vor den Vereinten Nationen gegen das südafrikanische Regime. 1967 fügte sie ihrem weitgehend auf Xhosa gesungenen "Pata Pata" einige englische Passagen hinzu und veröffentlicht damit einen Welthit. Trotz seines scheinbar unbedeutenden Texts - zwei Menschen tanzen und betatschen sich - wurde "Pata Pata" immer mehr zu einer Hymne an die Freiheit stilisiert. Diese Doku wurde in Ö1 am 18. März 2024 gesendet. Playlist und Literaturliste finden Sie in den Shownotes
-
Die Welt ist in West und Ost geteilt; und Berlin ganz besonders. Als 1972 der "Rauch-Haus-Song" in einem besetzten Westberliner Haus geschrieben wurde, sammelten sich in den Ruinen der alten deutschen Hauptstadt bereits seit einigen Jahren Anarchos, 68er und frühe Punks, die dort Räume der Selbstverwaltung forderten. Eines frühen Morgens rückten 400 Polizisten an, um das Rauchhaus im Stadtteil Kreuzberg nahe der Berliner Mauer zu räumen. Der Sänger Rio Reiser schrieb darüber einen agitatorisch-politischen Text der ob seiner Sprachwucht noch lange in unterschiedlichen deutschen Subkulturen nachhallte. Das Lied erschien auf einem unabhängigen Label und schuf damit eine Grundlage für eine Do-It-Yourself-Arbeitsweise, die später für Subkulturen in Deutschland zentral wurde. Diese Dokumentation wurde in Ö1 am 19. März 2024 gesendet. Die Playlist und Literaturliste zum Podcast finden Sie in den Shownotes
-
Das Mädchen vom Land - kroatisch: Djevojka sa sela - trug hier hohe schwarze Absätze, weiße Söckchen und leuchtend roten Lippenstift. Sängerin Severina wurde 1972 in der dalmatinischen Hafenstadt Split geboren. Als Jugoslawien dann in den 1990ern blutig zerfiel, wurden die neuen Grenzen durch serbisch-bosnisch geprägten Turbofolk auch kulturell verstärkt. Severina schien hingegen dem neuen kroatischen Selbstverständnis mit westlich orientierter Popmusik Ausdruck zu geben. 1998 entwickelt sich ihr modern-pastoraler Song "Djevojka sa sela" zur inoffiziellen Hymne der kroatischen Fußball-Nationalmannschaft, die bei ihrem ersten Antreten bei einer Weltmeisterschaft in Frankreich den dritten Platz erkämpfen konnte. Severina wurde später zu einem der wenigen gesamt-post-jugoslawischen Popstars. Diese Dokumentation wurde in Ö1 am 20. März 2024 gesendet. Die Playlist und Literaturliste zum Podcast finden Sie in den Shownotes
-
Keine zweite Musikerin bringt die multiplen Krisen der späten 2010er Jahre so zum Klingen wie die 18-jährige Kalifornierin Billie Eilish. Auf ihrem Debütalbum singt sie im Song "Xanny" über allgegenwärtige Opiate, die in den USA bereits zehntausende Menschen das Leben gekostet haben und auf "Buried A Friend" über Suizid, "All The Good Girls Go To Hell" ist eine biblische Geschichte vor dem Hintergrund steigender Meeresspiegel. Der Song "Bad Guy" wird schließlich zum definierenden Hit des Jahres 2019. Darauf entwirft die Sängerin in einer Neo Goth Street Wear kurz nach Metoo neue Geschlechterrollen, indem sie Männer symbolisch kastriert, sie ihre dicken Bäuche einziehen lässt, sie wehrlos in Anzügen am Boden liegen und auf Kinderdreirädern fahren lässt und ihr dabei in ihrem eigenen Identitätsentwurf unterwürfig dienen. Diese Doku wurde in Ö1 am 21. März 2024 gesendet. Playlist und Literaturliste finden Sie in den Shownotes
-
1941 wurde eine Kiste mit Schallplatten aus dem Wiener Funkhaus ins besetzte Jugoslawien geschickt, wo der örtliche Wehrmachtssender das bereits ältere "Lied eines jungen Wachpostens" bald schon regelmäßig zum Sendeschluss spielte. "Lili Marleen" wurde zu einer Verbindung von Soldaten, die an den weitläufigen Fronten eines verbrecherischen Krieges kämpften, und ihrer Heimat. In Nordafrika sollen die Waffen geschwiegen haben, als "Lili Marleen" allabendlich in den verfeindeten Lagern erklang. Bald brach eine Propagandaschlacht um das Lied aus, spanische, englische, französische und italienische Versionen wurden aufgenommen, 1944 sang Filmstar Marlene Dietrich, die kurz vor Kriegsausbruch die deutsche Staatsbürgerschaft abgelegt hatte, "Lili Marleen" mit dunklem Timbre für den US-Nachrichtendienst ein. Diese Dokumentation wurde in Ö1 am 22. April 2024 gesendet. Die Playlist und Literaturliste zum Podcast finden Sie in den Shownotes
-
Das Leben hat ihr Hämmer, Turbinen, Barken und Regenschauer geschenkt, singt die chilenische Künstlerin Violeta Parra kurz vor ihrem Suizid, es hat ihr Haus und Hof geschenkt, das Lachen und die Tränen. Und aus Kummer und Glück webt sie - heißt es auf "Gracias a la vida" weiter - ihr Lied. "Gracias a la vida" wurde zu einem der bekanntesten Lieder der Nueva Cancion Chilena, deren Grundlage Violeta Parra in den 1950ern legte, als sie begann, die durch Migration in die Städte langsam verschwindende rurale Kultur Chiles zu dokumentieren. Violeta Parra sollte nicht mehr erleben, wie "Gracias a la vida" in den späten 1960er Jahren in den Rang einer humanistischen Hymne erhoben wurde. Diese Dokumentation wurde in Ö1 am 23. April 2024 gesendet. Die Playlist und Literaturliste zum Podcast finden Sie in den Shownotes
-
Die sogenannten Troubles kosteten auf den britischen Inseln über etwa drei Jahrzehnte hinweg tausenden Menschen das Leben. Verschiedene paramilitärische Organisationen kämpften dabei gewaltsam für wie auch gegen eine Wiedervereinigung Irlands. Als 1993 mehrere Kinder bei Bombenanschlägen starben - einmal in einer nordenglischen Einkaufsstraße, ein andermal bei einem nordirischen Fischgeschäft -, wurde eine junge Sängerin aus einer west-irischen Kleinstadt dadurch so erschüttert, dass sie einen für die Band untypisch lauten und untypisch politischen Song schreibt. "Zombie" von The Cranberries wurde - wohl auch wegen seiner Widersprüche - zum größten Popsong über die sogenannten Troubles. Diese Dokumentation wurde in Ö1 am 22. 04. 2024 gesendet. Die Playlist und Literaturliste zum Podcast finden Sie in den Shownotes
-
Um die Jahrtausendwende verbanden sich karibischer Dancehall und Hip Hop auf dem US-Außengebiet Puerto Rico zu etwas Neuem. Reggaetón war für die lokalen Eliten zunächst eine bedrohliche Mischung aus Drogen und Gewalt. Spezialeinheiten sollten die Kriminalität in den Sozialbauten der Hauptstadt San Juan mit eiserner Hand zerschlagen, auch hunderte CDs wurden beschlagnahmt. In diesem repressiven Klima wird Ivy Queen zum einzigen weiblichen Star in einer von markanten Männern geprägten Musikkultur. Als die Latin Wave in den USA zunehmend verebbte, entwickelte sich Ivy Queen's Partysong "Quiero Bailar" über Radiostationen in Florida zum Hit. Diese Version von Reggaeton, die leicht entschärft und radiotauglicher war, fiel dadurch erstmals einer globalen Öffentlichkeit auf. Diese Dokumentation wurde in Ö1 am 24. April 2024 gesendet. Die Playlist und Literaturliste zum Podcast finden Sie in den Shownotes
-
Stefan Niederwieser ist Ö1 Sendungsgestalter und beschäftigt sich seit eineinhalb Jahrzehnten publizistisch mit Musik - nicht nur als Ausdruck ihrer Zeit, sondern als ihr atemberaubender Katalysator. Robert Stadlober ist Schauspieler (“Schnee”, “Das Boot“, “Verschwende deine Jugend“, “Crazy”), Musiker (Heym, Gary) und Mitgründer des österreichischen Indie-Label Siluh Records.