Episodit
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Der spanische Nationalstolz ist in jüngster Zeit durch die katalanische Unabhängigkeitsbewegung zu einem zentralen Thema der spanischen Politik geworden. Rechtsradikale Tendenzen durch die Partei Vox, aber auch die von Intellektuellen und Politikern vertretene Position, dass es einen spanischen Nationalismus überhaupt nicht gibt, prägen die gesellschaftliche Auseinandersetzung. In seinem Buch »Die bewegte Nation« skizziert der Historiker Xosé Manoel Núñez Seixas die Entwicklung des spanischen Nationalgefühls vom Verlust der einstigen Größe, über den blutigen Bürgerkrieg und die Diktatur Francos bis zu den Debatten der Gegenwart. Im Gespräch mit Anna Catharina Hofmann und Philipp Müller diskutiert Núñez Seixas die Frage, inwieweit Patriotismus und Nationalismus unterschiedliche Konzepte sind und ob das Beispiel Spanien eine Ausnahme im europäischen Kontext darstellt.
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Weltweit begründen populistische Bewegungen die Legitimität ihrer Ziele damit, dass sie »den Willen des Volkes« vertreten würden – selbst, wenn sie bei Wahlen regelmäßig nur einen Bruchteil der abgegebenen Stimmen ernten. Wie lässt sich die anhaltende Wirkmächtigkeit einer solchen Begründung erklären – und ist ein inklusives Konzept von »Volk« denkbar, das nicht auf der Marginalisierung und Ausgrenzung von Teilen der Bevölkerung beruht? Einen Einblick in die Vielfalt der verschiedenen Volkskonzepte liefert in dieser Lecture der Berliner Historiker Michael Wildt, Autor des Buches » Volk, Volksgemeinschaft, AfD«.
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Puuttuva jakso?
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Es ist schwer vorstellbar, aber als wir Anfang März Ann Pettifor zu ihrem neuen Buch »Green New Deal« interviewten, war der Klimawandel noch das beherrschende Thema in Politik und Öffentlichkeit. Jedoch kamen wir immer wieder auf die sich abzeichnende Covid-19-Pandemie und ihre Folgen zu sprechen. Für Ann Pettifor offenbart auch diese Situation – wie der Klimawandel – die bemerkenswerte Ohnmacht der Märkte in Krisenzeiten und die Notwendigkeit gemeinschaftlichen Handelns. Sie sieht in beiden Krisen allerdings auch eine Chance: Nämlich, dass wir als Gesellschaft die Bedeutung von Solidarität, Informiertheit und internationaler Zusammenarbeit wiederentdecken.
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Terroristischer Gewalt ist ein »kommunikatives Element« zu eigen: Der Terrorismus kann nur dann die von den Gewalttätern intendierten psychologischen und politischen Wirkungen entfalten, wenn über ihn berichtet wird, wenn der Schrecken – denn nichts anderes bedeutet »Terror« –, der von den Taten ausgeht, nicht am Anschlagsort verbleibt, sondern eine breite Öffentlichkeit erreicht. Möglich wurde dies erst durch die Entstehung von Massenmedien und Massenöffentlichkeit in Europa, Russland und den USA während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Der Historikerin Carola Dietze zufolge lassen sich um die Mitte des 19. Jahrhunderts fünf Einzelpersonen identifizieren, die sich wechselseitig inspirierten und innerhalb von nur acht Jahren die Handlungslogik des »modernen« Terrorismus verstanden und anwendeten. Die entscheidende Gemeinsamkeit dieser »Erfinder« des Terrorismus war dabei nicht ideologischer Art. So trat einer von ihnen für die Abschaffung der Sklaverei in den USA ein – einem anderem sollte nur sechs Jahre später die Ermordung jenes US-Präsidenten gelingen, der die Sklaven befreite. Sie bestand vielmehr darin, dass diese fünf Terroristen die Wechselwirkungen zwischen inszenierter Gewalt, Medienberichterstattung und deren politischen Effekten erkannten. -
Die Themen Migration und Flucht werden in Politik und Medien oft sehr binär besprochen – als ginge es um eine simple Entscheidung darüber, ob Grenzen offen oder geschlossen werden sollten. Aus Sicht vieler Expert*innen in Behörden, Ämtern und der Wissenschaft führt dies zu einer Gesetzgebung, die nur selten umzusetzen ist und Bürokrat*innen wie Migrant*innen in wahrhaft kafkaeske Situationen bringt. Mit Tobias Eule vom Hamburger Institut für Sozialforschung sprechen wir darüber, wo die Schwächen des europäischen Migrationsregimes liegen und wie sich Migration menschenwürdig gestalten lässt.
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Occupy Wall Street, Friedensbewegung oder BDS-Kampagne, aber auch Mitglieder der Demokratischen Partei in den USA und der britischen Labour Party sind in den letzten Jahren mit antisemitischen Äußerungen und Kampagnen in die Schlagzeilen geraten. In unserer Lecture beantwortet die Ethnologin Sina Arnold vom Zentrum für Antisemitismusforschung die Frage, wie antisemitisches Denken auch in sozialen Bewegungen gedeihen kann, welche den Kampf gegen Diskriminierung als ihr Kernanliegen verstehen.
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Gewalt ist etwas, was Menschen immer schon intensiv beschäftigt hat. Zu Gast haben wir heute zwei Wissenschaftler*innen, die nicht nur konkrete Fälle von Gewalt erforschen – etwa kriegerische Konflikte oder Terroranschläge –, sondern auch das theoretische Gerüst und die Methoden, die nötig sind, um sie besser zu verstehen. Teresa Koloma Beck und Thomas Hoebel erläutern, was die Anlässe für eine soziologische und ethnografische Gewaltforschung waren, vor welchen Problemen Forscher*innen in diesem Feld stehen und weswegen bei der Erforschung von Gewalt stets reflektiert werden sollte, wo und durch wen die Forschungsergebnisse weiterverwendet werden.
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Diese Folge ist ein Rundumschlag – mit der Historikerin Hedwig Richter diskutieren wir die oft chaotische Geschichte der Einführung des Wahlrechts. Napoleonische Plebiszite, bei denen von Tür zu Tür gegangen wurde, frühe Wahlen, bei denen geraucht und getrunken wurde und der lange Kampf um die Einführung des Frauenwahlrechts – es wird deutlich, dass das, was wir heute unter »Demokratie« verstehen, das Resultat eines langen Prozesses ist. Und in einer Zeit, in der vor einem Voranschreiten autoritärer Systeme gewarnt wird, lohnt sich ein Blick darauf, wie sich Demokratisierung in den letzten 200 Jahren vollzogen hat.
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Der Begriff »Fake News« kann Unterschiedliches bezeichnen. Liberale Medien würden damit Desinformationen in sozialen Medien beschreiben; genau jene Medien werden jedoch auch von Donald Trump – und rechtspopulistischen Parteien weltweit – als »Fake News« delegitimiert. Sind die westlichen Demokratien bereits in ein postfaktisches Zeitalter eingetreten?
Ute Daniel würde diesen Befund relativieren, aber auch keinen Anlass zur Entwarnung geben. Zwar sind Desinformationen und Denunziationen kein neues Phänomen, wie die Historikerin mit zahlreichen Beispielen veranschaulichen kann; allerdings gibt es gute Gründe, um den Zustand des politischen Diskurses besorgt zu sein. -
Laut unserem heutigen Gast, dem Soziologen Aaron Sahr, gibt es einen blinden Fleck in aktuellen politischen Diskussionen um Geld und Geldpolitik, nämlich, wie Geldbeträge überhaupt entstehen.
Stattdessen wird vor allem über Umverteilung diskutiert – ungeachtet der Tatsache, dass die moderne Geldschöpfung per Knopfdruck den Kapitalismus krisenanfälliger macht, Ungleichheit verstärkt und Problemen wie dem Klimawandel keine Priorität einräumt. Gerade im Zusammenhang mit einem »Green New Deal« ist eine Auseinandersetzung mit dem »Keystroke-Kapitalismus« unerlässlich. -
Wird der politische Diskurs immer polarisierter? Weswegen führt unser Geldsystem zu immer mehr Ungleichheit? Wie kommt es zu Gewalt und wie lässt sie sich erklären? Was sind die Ursachen von Rassismus, Sexismus und Antisemitismus? Und was sind effektive Maßnahmen gegen den Klimawandel?
In unserem neuen Podcast »TiefenSchärfe« beschäftigen wir uns ausführlich mit Fragen wie diesen. Zu Wort kommen Expertinnen und Experten aus Soziologie, Geschichts- und Politikwissenschaften, die in den letzten Jahren intensiv zu gesellschaftlich wichtigen Themen geforscht haben und deren Erkenntnisse dabei helfen, die Gegenwart zu erklären.
»Tiefenschärfe« ist eine Produktion der Hamburger Edition, dem Wissenschaftsverlag des Hamburger Instituts für Sozialforschung. Weitere Infos zum Podcast sind auf unserer Website zu finden: www.hamburger-edition.de/podcast.