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Für Andreas Faller, früher Vizedirektor im Bundesamt für Gesundheitswesen, gibt es mehrere Gründe, weshalb die Kosten steigen. Durchaus erwünscht sei, dass wir immer älter werden und dass es im Gesundheitswesen Innovationen gebe, die den Patienten zu gute kommen. Ein Problem sei, dass die Patienten immer mehr Leistungen konsumieren würden, weil nicht immer klar sei, dass das ihnen wirklich helfe. Fehlanreize und bürokratischer Aufwand gälte es jedoch zu bekämpfen.
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Kaum Kompromisse
«Links-grün will jedes Problem mit mehr Geld und Umverteilung lösen», sagt Florence Pärli. Sie sitzt seit gut drei Jahren für die FDP im Stadtparlament. Anfangs sei sie schockiert gewesen, wie ideologisch SP und Grüne politisieren würden. Da die beiden Parteien zusammen im Parlament eine Mehrheit hätten, gebe es kaum sachliche Diskussionen und Kompromisse. Es brauche wieder mehr Vielfalt in der Stadtregierung.
Die Schuldenlast der Stadt werde bald zwei Milliarden Franken betragen, sagt die Finanzspezialistin. «Die Stadt gibt mehr Geld für Zinsen aus, statt für Kultur.» Damit würden vor allem kommende Generationen belastet. Pärli will die Finanzen sanieren, Schulden abbauen und die steigenden Steuereinnahmen in dringend benötigte Infrastruktur stecken.
Für eine vielfältige Stadt
Pärli will eine lebendige Stadt, in der gewohnt, gearbeitet, aber auch Eigentum erworben und eine Firma gegründet werden kann. Die Stadt verhindere heute Unternehmertum. Bis eine Baubewilligung erteilt werde, dauere es zu lange. SP und Grüne behinderten Wohneigentum aus ideologischen Gründen. Vom Motto «Stadtluft macht frei» sei nicht mehr viel zu spüren. «Eine lebenswerte Stadt muss für alle Lebensentwürfe Platz haben.» Sie teile viele Ziele von SP und Grünen, aber sie sei liberal, weil die freiheitlichen Wege besser seien. -
MIt dem EWR zufrieden
Seit mehr als hundert Jahren besteht ein Zollvertrag zwischen beiden Ländern. Er sorgt für enge politische und wirtschaftliche Verbindungen, betont Daniel Risch. Doch das Fürstentum ist längst aus dem «Rucksack» der Schweiz ausgestiegen und hat sich emanzipiert – nicht zuletzt durch den Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) 1995. Während der Zollvertrag von 90 Prozent der Bevölkerung befürwortet werde, sind 75 Prozent mit dem Beitritt zum EWR zufrieden.
12’000 Rechtsakte zusätzlich
Liechtenstein hatte bis im Mai den Vorsitz des Europarates inne. Risch betont die Wichtigkeit des Austauschs und der Zusammenarbeit zwischen den Nationalstaaten und kritisiert die zunehmende Regulierung aus der EU. Liechtenstein müsse im Gegensatz zur Schweiz 12’000 Rechtsakte aus Brüssel übernehmen. Risch möchte, dass die EU die Vielfältigkeit des Kontinents als Stärke anerkennt. «Ich finde, man muss mehr die verschiedenen Stimmen von Europa hören und Europa als der diverse Kontinent sehen, der noch viele Stärken hat als nur von Brüssel, von oben herab.» Wenn die Regulierung «wuchere» dann leide der Wettbewerb der Staaten darunter. Risch kritisiert aus diesem Grund auch die OECD-Mindeststeuer.
«Alemannengeist» nach Brüssel exportieren
Der Regierungschef verteidigt den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof des Europarates, auch wenn er mit einzelnen Urteilen ebenfalls Mühe hat. Entscheidend sei eine Organisation, in der man miteinander reden und Probleme besprechen könne. Risch betont die Bedeutung der Eigenständigkeit Liechtensteins und des «Alemannengeistes», den das «Ländle» mit der Schweiz, Vorarlberg und Süddeutschland verbinde. Diesen Geist müsse man nach Brüssel exportieren.
Liechtenstein hat betreffend der Personenfreizügigkeit eine Quotenregelung zugestanden erhalten. Daniel Risch verteidigt die Sonderregel. Sie sei nötig wegen der Kleinheit des Landes, und um eine hochstehende Arbeitsmigration zu gewährleisten. -
Der Volkswirtschafter Matthias Binswanger hat ein Buch über die Auswirkungen künstlicher Intelligenz (KI) auf die Wirtschaft und die Gesellschaft geschrieben. Binswanger erklärt, dass KI auf riesigen Datenmengen basiert, die schneller und rund um die Uhr verarbeitet werden können. Je mehr Daten vorhanden sind, desto intelligenter wird die KI. Und weil sie uns bequem und sicher erscheint, droht eine Abhängigkeit und der Verlust von Autonomie und Freiheit.
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Der Waadtländer SP-Nationalrat über die Stromversorgung im Winter, den Ersatz der Atomkraftwerke und wieso er glaubt, dass es keine neuen brauche. Und dann erläutert er, weshalb die SP nach der Niederlage bei der Prämienentlastungsinitiative auf eine Einheitskrankenkasse setzt, und was das mit den Appenzellern zu tun hat.
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Im Interview redet er über die Globalisierung, die europäische Integration und den russischen Präsidenten Wladimir Putin und dessen Krieg gegen die Ukraine. Seine wichtigsten Aussagen:
«Die Globalisierung hat mit der Finanzkrise 2008 einen grossen Schock erlebt, aber die grosse Krise ist ausgeblieben, die Globalisierung hat sich entschleunigt.»
«Die geopolitischen Spannungen sind typisch in Zeiten, in denen sich die Globalisierung umgestaltet. Das war schon 1840 in Europa oder in den 1970er Jahren so. Beide Phasen waren Auslösungsmomente für eine Ausdehnung der Globalisierung.»
«Ich wage die Prognose, dass die Globalisierung einen neuen Aufschwung bekommt. ich sehe das in den Handelsziffern und in der Erholung der Wirtschaft. ich sehe das im technologischen Wandel.»
Für James ist Europa an einem Schicksalsmoment angekommen: «Wenn die Ukraine bis Ende des Jahres durchhält und wenn in den USA die Wahlen nicht von Trump gewonnen werden, dann bricht die Putin-Regierung zusammen und Putin kann den Krieg nicht mehr fortführen. dann kann Europa gestärkt aus der Krise hervorgehen.»
«Nach 1945 war das Schicksal von Europa immer von Politik in Washington und Moskau abhängig.»
«Der Kleinstaat muss sich immer dem grossen Nachbarn anpassen. Das gilt für Singapur und China, aber auch für Norwegen oder die Schweiz zur EU.»
Buchempfehlung von Harold James: Schockmomente: Eine Weltgeschichte von Inflation und Globalisierung 1850 bis heute. Herder 2022. -
«Schuldenbremse respektieren»
«Es ist ein Funken Vernunft eingekehrt» findet Gregor Rutz zum Scheitern des Ukraine-Armee-Deals im, Ständerat. Politiker gäben gerne Geld aus und meinten, sie machten dann etwas Gutes. «Wir müssen die Schuldenbremse respektieren, sonst sind wir bald so Konkurs wie die Länder um uns herum.»
Für Rutz ist klar, wenn die Armee mehr Geld brauche, dann müsse das an einem anderen Ort eingespart werden. «Das ist nichts als vernünftig, weil man einen Franken nur einmal ausfegeb kann.»
«Entwicklungshilfe ist wahnsinnig ineffizient»
Der Grossteil der Budgeterhöhung für die Armee soll in der Entwicklungshilfe eingespart werden. «In der Entwicklungshilfe wird wahnsinnig viel Geld ineffizient ausgegeben» findet Rutz. Er würde die Migrationsströme unterbrechen und das so gesparte Geld in Hilfe vor Ort investieren. «Man muss verhindern, dass sich Millionen auf den Weg nach Europa machen, im Wissen, dass sie sowieso hier bleiben können, egal ob ihr Gesuch angenommen wird oder nicht.»
Der Bund könne aber gut sparen, findet Rutz. Die Bundesverwaltung sei ineffizient, verdienen zu viel und es gebe auch viel zu viele davon. Bei der Landwirtschaft fordert Rutz zum Sparen eine radikale Vereinfachung der Bürokratie: Dann hätten die Bauern nicht weniger Direktzahlungen. Auch in der Bildung sieht Rutz «Luft im System». Man könne mit zehn Prozent weniger Budget genau dasselbe erreichen, man müsse es nur effizienter machen.
Sogwirkung für noch mehr Asylbewerber befürchtet
Gregor Rutz hat letzten Sommer gefordert, dass bei Asylgesuchen von Frauen aus Afghanistan wieder genauer hingeschaut wird. Das Staatssekretariat habe plötzlich das Asylgesetz neu interpretiert und allen Frauen aus Afghanistan Asyl gegeben. Rutz befürchtet eine Sogwirkung: «Dann könnten bald alle Frauen aus muslimischen Staaten kommen, wo sie nichts zu sagen haben.» Es gehe nicht, dass die Verwaltung der Politik sage, was sie zu tun habe. «In einer Demokratie ist es eigentlich umgekehrt.» Dies habe der Nationalrat nun korrigiert.
«Wir haben eine Lotterordnung»
Beim Familiennachzug für vorläufig Aufgenommene sei etwas Ähnliches passiert. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte habe entscheiden, dass die Frist von drei Jahren bis zum Familiennachzug unmenschlich sei. «Schweizer Gerichte wenden das nun an, obwohl im Gesetz immer noch von drei Jahren die Rede ist.» Der Bundesrat schlage nun vor, das Gesetz dieser Rechtssprechung anzupassen. «Es nimmt mich wunder, was geschieht, wenn das Parlament oder das Volk das ablehnen.»
«Wir haben eine Lotterordnung: Die Gerichte funken der Politik rein, die Verwaltung macht, was sie will und der Gesetzgeber hat am Schluss immer das Nachsehen.» Die Schweiz müsse sich die Einmischung von Gerichten in die Politik nicht bieten lassen. «Am Schluss entscheidet bei uns der Stimmbürger – nicht der Richter hat das letzte Wort.» -
Martin Candinas stellt Asyl für Afghaninnen nicht grundsätzlich in Frage. Aber man müsse wirklich schauen, ob jemand die Bedingungen dafür erfülle. «Und beim Familiennachzug geht es darum, dass nicht einfach die ganze Familie kommen kann und die Männer einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen werden.»
Strengere Linie als bisher
Die Bevölkerung erwarte eine klare Asylpolitik, die logisch sei. Das habe der Nationalrat entschieden und damit Klarheit geschafft. Bundesrat Beat Jans habe mehr Tempo in die Behandlung der Gesuche gebracht. «Das hat er geschafft.» Wichtig sei, dass er die angekündigte Linie in der Asylpolitik auch weiterführe. Für Candinas ist das eine strengere Linie als bisher. Jans dürfe nicht zum «Ankündigungsminister» werden. Es gebe viele Kriegsgebiete in der Welt, aber es sei klar, dass die Schweiz nicht alle Flüchtlinge aufnehmen könne. «Wir müssen denen Schutz bieten, die unbedingt Schutz brauchen.» Für jene, die einfach ein besseres Leben führen möchten, habe die Schweiz zu wenig Platz. Das sei eine riesige Herausforderung.
Die SRG hat mit Susanne Wille eine neue Generaldirektorin. Was erwartet Martin Candinas von ihr? «Ich erwarte vor allem, dass sie intern den Laden im Griff hat.» Die Interessen in der SRG seien sehr unterschiedlich. Candinas denkt an die vier Regionen oder die verschiedenen Sparten in der SRG. Candinas lehnt Kürzungen der SRG-Steuer ab. Gleichwohl ist er überzeugt, dass die SRG sparen muss: «Die SRG wird nicht mehr Geld bekommen, aber die Frage ist, wie viel will man da kürzen.»
SRG und Verleger müssen zusammen arbeiten
Für Martin Candinas sind die Nachrichten der Kern des Service Public der SRG. Da müssten die verschiedenen Ansichten zu Wort kommen. Doch auch Unterhaltung gehöre dazu. «Wir wollen doch einheimische Unterhaltung und Schauspieler!» Am Schluss habe jeder ein anderes Verständnis von Service Public. Die SRG müsse eine grosse Masse an Leuten erreichen, damit die Leute den Wert der Abgabe sähen. Candinas verteidigt die Unternehmensabgabe. Das sei ein guter Kompromiss. Ob die SRG mit ihren Texten Online-Medien konkurrenziere, das könne man in Frage stellen. Es könne nicht sein, dass man die SRG einschränke, wenn sie ihre Inhalte schmackhaft mache. «Wir müssen viel mehr überlegen, wie die SRG und die Verlage besser zusammen arbeiten.» -
«Man muss etwas machen, um eine gute Kostenkontrolle zu haben», findet Yvonne Gilli. Aber die Kostenbremse-Initiative sei der falsche Weg. Die Anbindung der Kosten an die Lohnentwicklung sei gefährlich. «Wenn man das zurückrechnet, wären über ein Drittel der Leistungen in der obligatorischen Grundversicherung nicht mehr finanziert werden können.»
Doch die Initiative fordert ja nur die Akteure auf, etwas gegen die Kostenentwicklung zu tun. Gilli befürchtet, dass dann einfach die Tarife nach unten angepasst würden. «Dann warten sie einfach auf ihre Operation, bis wieder Geld vorhanden ist.» Es sei einfach, eine Prämiensenkung zu versprechen, wenn die Patienten eine Behandlung dann selber bezahlen müssen.
Fehlanreize beseitigen
Die Kostenentwicklung sei nicht das Problem, findet Gilli. Dass die alternde Bevölkerung mehr Kosten verursache, sei nicht zu vermeiden. «Die Prämienentwicklung hatten wir nicht im Griff», gibt Gilli allerdings zu. Der Grund sei, dass immer mehr Behandlungen ambulant durchgeführt würden. Die würden weniger kosten, aber vollständig von den Krankenkassen übernommen und so auf die Prämien durchschlagen. Bei den Behandlungen im Spital zahlten die Kantone gut die Hälfte. Das Parlament hat diesen Fehler korrigiert, aber die Gewerkschaften haben das Referendum dagegen ergriffen.
Was wäre denn zu tun? Gilli stimmt dem Ziel zu, dass die Qualität eine wichtigere Rolle spielen sollte. «Als Patientin möchte ich mich eine Garantie haben, dass die Qualität stimmt.» Dann gelte es, Fehlanreize zu beseitigen. Die Spitalplanung sollte überregional gemacht werden, findet Gilli. «Wahrscheinlich gibt es zu viele Spitäler». Man orientiere sich zu stark an den Kantonsgrenzen. Generell gebe es aber zu wenig Ärzte. Es brauche mehr Ausbildungsplätze an den Universitäten. Gilli fordert, dass der Bund sich da beteilige.
«Nötige Provokation»
Bei der Prämienentlastungsinitiative der SP hat die FMH Stimmfreigabe beschlossen. Yvonne Gilli findet es richtig, dass der Gegenvorschlag die Kantone in die Pflicht nehme, ausreichend Prämienverbilligungen auszuzahlen. «Es hat eine Provokation gebraucht, damit allen bewusst wurde, dass es einen sozialen Ausgleich zur Kopfprämie braucht.» -
Umsetzung ohne Steuererhöhungen
«Die Prämienentlastungsinitiative kostet nicht mehr Geld, es wird einfach von jemand anderem bezahlt», sagt Sarah Wyss. Das Volksbegehren fordert, dass niemand mehr als zehn Prozent seines verfügbaren Einkommens für Krankenkassenprämien ausgibt. Der Rest müsste von Bund und Kantonen bezahlt werden. Natürlich belaste die Initiative den Bundeshaushalt und die Kantone. «Aber das ist richtig so, denn im Moment belastet es die Menschen.» Steuererhöhungen brauche es dazu nicht. Die zusätzlichen Kosten in Milliardenhöhe könne «mit den heutigen Haushalten» bezahlt werden.
Die Gegner kritisieren, dass die Initiative nichts an den steigenden Kosten im Gesundheitswesen ändere. «Das ist korrekt», gibt Wyss zu. Die Initiative stelle nur eine Verteilungsfrage. Diese sei aber entscheidend: «Bei uns ist das Gesundheitswesen extrem unsozial finanziert, nur 36 Prozent wird vom Staat mit Steuern bezahlt.»
«Kantone haben sich gesund saniert»
Sarah Wyss kritisiert vor allem die Kantone, die sich in den letzten Jahren aus der Prämienverbilligung verabschiedet hätten. «Die Kantone haben sich zum Teil gesund saniert, auf Kosten der Menschen.» Darum müsse der Bund eingreifen. Der Gegenvorschlag zur Initiative, der dieses Problem angeht, genügt Wyss nicht.
Wenn man die Gesundheitskosten senken wolle, müsse man ganz anders vorgehen, findet Wyss. Die Nationalrätin spart dabei nicht an Selbstkritik: «Das Parlament hat die Arbeit nicht gemacht.» Die Bilanz sei «vernichtend». Gute Vorschläge würden nicht umgesetzt. Bund und Kantone schiebten sich die heisse Kartoffel hin und her. Es brauche eine interkantonale Spitalplanung und man müsse bei den Medikamenten- und Generikapreisen ansetzen.
Qualität statt Quantität bezahlen
Um die Kosten langfristig zu bekämpfen, brauche das Gesundheitswesen eine neue Ausrichtung: «Solange die Leistungserbringer mehr verdienen, wenn sie mehr machen, werden sie immer mehr machen – dann wird es immer teurer.» Die Frage sei, ob wirklich alle Leistungen nötig seien. «Da braucht es Regulierungen», findet Wyss. Und dann brauche es andere finanzielle Anreize. «Wir dürfen nicht mehr die Quantität bezahlen, sondern die Qualität.» Für Wyss muss es dazu in Richtung Service Public gehen. -
Bringt das Stromgesetz wirklich mehr Versorgungssicherheit, wie die Befürworter behaupten? Jürg Grossen ist davon überzeugt. «Wir schaffen Anreize, um mehr Erneuerbare in der Schweiz zu produzieren.» Aber man müsse ehrlich sein. «Sicher ist gar nichts.»
Windräder und Solaranlagen sind schön
Das Gesetz baue nicht nur die Produktion von Winterstrom aus, sondern insgesamt sechsmal mehr Strom über das gesamte Jahr. Die Mehrheit dieser Ausbauten von Solarenergie werde auf bestehenden Dächern geschehen. «Es geschieht mit dem Stromgesetz sehr viel mehr, als der von Albert Rösti betonte Ausbau beim Winterstrom.» Grossen stören die Windräder nicht besonders. «Ich finde Solaranlagen und Windräder schön.» Für ihn ist das eine «Geschmacksache».
«Das ist Panikmache»
Gleichzeitig dämpft Grossen die Erwartungen. Der Ausbau werde lange dauern und funktioniere nur in Zusammenhang mit dem Ausbau der Wasserkraft, die rasch abrufbar sei, wenn es nötig sei. «Das ist das innovativ schweizerische, was wir unbedingt tun sollten.»
Die Gemeinden hätten auch bei einer Zustimmung zum Stromgesetz noch etwas zu sagen, findet Grossen. Wenn eine Gemeinde ein Projekt ablehne, werde nicht gebaut. «Das ist richtig und wichtig.» Es gebe aber eine Besserstellung der Stromproduktion gegenüber dem Naturschutz, wenn es eine Produktion von nationaler Bedeutung sei. Dass es anders sei, sei «Panikmache».
«Diese Leute sind unbelehrbar»
Der Ausbau der Wasserkraft wird trotz rundem Tisch von links-grünen Organisationen bekämpft. Jürg Grossen hat dafür kein Verständnis. Diese Beschwerden müsse man alle ablehnen und die Organisationen nicht mehr zulassen, findet Grossen. «Diese Leute sind unbelehrbar.» Als Gesellschaft müssten wir festhalten, dass wir den Strom bräuchten. «Wir wollen ja nicht zurück in die Höhle.»
Ende April kam es zu einer schwierigen Situation im Stromnetz, weil wegen des Wintereinbruchs plötzlich Strom fehlte. Der Netzbetreiber Swissgrid musste sehr teuren Ersatzstrom einkaufen. Eigentlich hätten wir mit der Wasserkraft das Mittel, um solche Schwankungen auszugleichen. Die Wasserkraftbetreiber müssten in die Bresche springen, wenn es zu wenig Strom habe, findet Grossen. Er verstehe nicht, warum das nicht geschehen sei, vor allem weil die Wasserkraftbetreiber noch Geld für eine Reservehaltung erhielten. «Dieses System müssen wir überarbeiten.»
Die Wasserkraftbetreiber hätten diesen Winter sehr viel Geld verdient. Grossen fordert, dass deren Betreiber davon etwas dem Bund abliefern – für den Rettungsschirm, den man für sie geschaffen habe. Das sei im Parlament in Arbeit. Jetzt machten die Stromkonzerne mit der Wasserkraft Milliardengewinne. «Dann muss man bereit sein, mit den Gewinnen Reserven zu bilden.» -
«Die Prämien steigen, weil wir alle jedes Jahr mehr Leistungen beziehen», sagt Lorenz Hess. Der Nationalrat ist Mitglied in der Gesundheitskommission und steht der Krankenkasse Visana vor. «Wir rennen vielleicht zu früh zum Arzt.» Hess kritisiert aber auch die Leistungserbringer: «Von ihnen kann die Nachfrage aber auch gesteuert werden.» Bei der Qualität und der Effizienz sei «noch Luft im System».
Zu viele Spitäler
Die Kostenbremse-Initiative der Mitte will die Akteure dazu zwingen, Massnahmen zu präsentieren. Notfalls würde der Bund die Kompetenz erhalten einzugreifen. Hess kritisiert, dass es im Gesundheitswesen mit der Digitalisierung nicht vorwärts geht. Und die Spitaldichte sei viel zu hoch. Die Kantone sollten bei der Spitalplanung zusammenarbeiten, findet Hess. Die Initiative führe dazu, dass der Druck auf die Akteure grösser werde.
Die zweite Initiative, die «Prämienentlastungsinitiative», fordert, dass niemand mehr als zehn Prozent des verfügbaren Einkommens für Krankenkassenprämien ausgeben muss. Die Differenz müssten Bund und Kantone aus Steuergeldern mit Prämienverbilligungen bezahlen.
Fehlende Finanzierung
«Die Initiative ist grobfahrlässig», findet Lorenz Hess. «Am Grundübel der hohen Kosten ändert die Initiative null und nichts, sie ist reine Symptombekämpfung.» Irgendwo müsse das Geld dafür herkommen. Schon bei der 13. AHV-Rente wisse man nicht, wie das zu finanzieren sei. Die Prämieninitiative werde den Staat noch mehr kosten. «Wenn man partout nicht bei den Kosten ansetzen will, dann muss man das KVG grundlegend ändern.» Das würde jedoch die laufenden Reformen torpedieren.
Eine Einheitskasse werde nicht zu tieferen Kosten führen, ist Hess überzeugt. «Wir haben jetzt rund fünf Prozent Verwaltungskosten in der Grundversicherung», sagt Hess, der auch der Krankenkasse Visana vorsteht. «Ich kann mir schlecht vorstellen, dass eine staatliche Krankenversicherung das schafft.» -
Der liberale Staat brauche Religion, findet Martin Grichting. «Sitten, Gebräuche und Bürgertugenden stellten sicher, dass die Institutionen funktionieren». Dazu braucht es Religion, weil sich die Tugenden sonst nicht halten könnten. Grichtung hat ein Buch dazu geschrieben, in dem er ein neues Verhältnis von Kirche und liberalem Staat entwirft.
Es droht eine Gesellschaft der Egoisten
«Religion sorgt dafür, dass wir uns langfristig ausrichten, vielleicht auch einmal zu einem Verzicht zugunsten des Ganzen bereit sind», findet der frühere Generalvikar des Bistums Chur. «Wenn das fehlt, werden auch die Sitten und Tugenden verschwinden.» Übrig bliebe eine Gesellschaft von Egoisten. Religion biete den Menschen eine andere Sicht – eine über die Gegenwart hinaus.
Der Staat beruhe auf Grundlagen, die er selber nicht schaffen könne, zitiert Grichting den deutschen Verfassungsrichter Ernst-Wolfgang Böckenförde. Wo eine tiefere ideelle Basis fehle, sei der Mensch nicht mehr bereit, sich für das Ganze einzusetzen. «Dann kommen sich die Egoisten nur noch in die Quere – und das ist das, was wir in der heutigen Gesellschaft beobachten.» Je mehr die religiöse Dimension verschwinde, je kälter werde es.
«Die Wokebewegung ist reaktionär»
Ausdruck für die übersteigerte Individualisierung sind die Aktivisten von heute. Grichting sieht im Wokeismus der Gegenwart einen Rückfall hinter die Französische Revolution und die Aufklärung. «In der Wokebewegung verschwindet die Gleichheit zugunsten einer neuen Rassentheoprie, in der Menschen nur einen Wert haben, weil sie zu einer bestimmten Gruppe gehören.» Die Aktivisten merkten gar nicht, wie reaktionär sie seien.
Grichting entwirft auf der Basis von Alexis de Tocqueville eine «Religion der Bürger». Staat und Religion sollen dabei strickt getrennt sein, damit die Kirche sich nicht vom Staat vereinnahmen lasse. Die einzelnen Bürger sollen religiös sein und sich im Staat einbringen. «Das hat aber zur Voraussetzung, dass sich die Kirchenoberen selber nicht politisch einbringen, sondern sich darauf beschränken, dass sie den Glauben verkünden.» Heute sei das anders: Während die Kirchen immer säkularer würden, entwickle sich der Staat zu einer Zivilreligion.
Dir Kirchen und die Pandemie
Grichting kritisiert die Schweizer Bischöfe als zu staats- und regierungsnah. «Wenn man schaut, wie sich die Kirchen in der Pandemie freiheitsfeindlich hinter die Massnahmen gestellt haben, ihre eigenen Leute im Stich gelassen haben, dann zeigt das die zu grosse Nähe der Kirchen zum Staat.»
Mit ein Grund für diese unheilvolle Nähe sei die finanzielle Abhängigkeit der «Staatskirchen». Die Kirchen folgten aus Eigeninteresse dem Mainstream. «Ihr Evangelium ist nicht das der Bibel, sondern die Befehlsausgabe der Regierung. Sie beissen nie die Hände die sie füttern.» Dabei habe die Kirche eher zu viel als zu wenig Geld. Mit weniger Einnahmen müsste sie das Gebot der Armut wieder leben, statt hohe Löhne bezahlen.
Freier Entscheid, Kirchensteuern zu zahlen
«Eine Staatskirche versagt darin, die Gläubigen zu stützen und politisiert dafür – und zwar immer im Sinne jener, die gerade an der Macht sind.» Grichting würde «falls überhaupt» ein System wie in Italien modern finden, in dem die Steuerzahler jedes Jahr frei entscheiden, ob sie der Kirche Steuern zuhalten.
Martin Grichting: «Religion des Bürgers statt Zivilreligion. Zur Vereinbarkeit von Pluralismus und Glaube im Anschluss an Tocqueville». Schwabe-Verlag, 2024.
https://schwabe.ch/martin-grichting-religion-des-buergers-statt-zivilreligion-978-3-7965-5060-7 - Montre plus