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  • Das stärkste Antidot, das den Einzelnen davor bewahrt, sich einem Phantasma anheimzugeben, ist zweifellos, dass man das, worüber man theoretisierend nachzudenken sich anschickt, in der Praxis kennengelernt hat. Und was die junge Soziologin Elena Esposito, die zunächst bei Umberto Eco Soziologie studierte, später bei Niklas Luhmann in Bielefeld habilitierte, davor bewahrte, eine Künstliche Intelligenz herbeizubeschwören, wo doch lediglich die Gesetze der Wahrscheinlichkeit walten, war, dass sie, um Geld zu verdienen, eine Zeitlang als Consultant für eine große Computerfirma tätig war, welche die aufblühende Games-Industrie mit neuen Werkzeugen versorgte. Diese Vertrautheit mit Programmierern, ihren Denkgewohnheiten und den Phantasien, die sich im Game-Development herausgebildet haben, hat den Blick der Soziologin herausgefordert: jene Veränderungen in den Blick zu nehmen, welche der alltägliche Umgang mit Computern für unsere Kommunikation mit sich bringt. Und genau dies war es, was das Gespräch mit Elena Esposito zu einem regelrechten Vergnügen gemacht hat: dass man sich nicht über irgendwelche Phantasmen austauscht (»Wird der Computer den Menschen ersetzen?«), sondern über das, was Sache ist. Was den coolen Blick der Soziologin zur Geltung bringt, die mit großer Sorgfalt seziert, was es für eine Gesellschaft bedeutet, mit unverständlichen Maschinen in die Kommunikation einzutreten.

    Elena Esposito lehrt Soziologie an der Universität Bielefeld und an der Universität Bologna.

    Von Elena Esposito sind erschienen:

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  • Vielleicht ist das größte Rätsel der Gegenwart, dass die entscheidenden, lebensprägenden Dinge sich unbewusst einhausen – in einem solchen Maße, dass man nicht einmal mehr zur Kenntnis nimmt, dass die eigene Lebensführung nicht auf bewusste Entscheidungen zurückgeht, sondern den Gewohnheiten geschuldet ist. Das altgriechische díaita bezieht sich folglich nicht auf die Ernährungsweise, sondern ganz allgemein auf die Lebensführung – wovon die Diäten, die wir unseren Abgeordneten gönnen, einen Widerschein liefern. Umgekehrt läuft der Gedanke, dass man die Lebensführung von der Ernährung abkoppeln kann, ja, dass diese eine Art Sondersphäre darstellt, auf eine Form der Verdrängung hinaus. Dass die großen Lebensmittelkonzerne sich dies zunutze gemacht haben, indem sie die Konsumenten mit geschmacksverstärkten, überzuckerten, billig hergestellten und durchweg kommodifizierten Lebensmitteln beliefern, mag der Logik des Kapitalismus geschuldet sein, erstaunlicher ist, dass auch die Medizin, die mit den fatalen Auswirkungen des täglichen junk foods zu tun hat, die Lebensführung ihrer Patienten aus dem Blick verloren hat. Ein Grund dafür ist gewiss die Spezialisierung, die den Wissenschaftsphilosophen Nicholas Murray Butler zu der treffenden Beobachtung veranlasst hat:

    Ein Experte ist jemand, der immer mehr über immer weniger weiß, bis er alles über nichts weiß. (Nicholas Murray Butler)

    Weil auf diese Weise der Patient (als ganzheitliches Wesen) aus dem Blick gerät, sind die Mediziner rat- und hilflos, was die Ausbreitung der Zivilisationskrankheiten anbelangt, oder wie man vielleicht eher sagen müsste: der Konsumkrankheiten. Denn zunehmend betreffen diese nicht bloß die fortgeschrittenen Alterskohorten, sondern auch Jüngere, ist es nicht selten, dass bereits Kinder unter Rheuma, Diabetes und Bluthochdruck leiden. Um dem entgegenzuwirken, hat der Diabetologe Matthias Riedl in den 90er Jahren das medicum Hamburg gegründet und später eine Fernsehsendung ins Leben gerufen, die, in höchst populärer Form, versucht, die Konsumenten daran zu erinnern, was sie tagtäglich zu sich nehmen – und welch fatale Wirkungen dieser wohlige Konsumismus auf ihre Gesundheit hat. Hat man im Marketing die Heldenreise C.G. Jungs auf den Konsumenten übertragen, so besteht die „Küchenpsychologie“, die Matthias Riedl gemeinsam mit seinen Kollegen, den »Ernährungs-Docs« anwendet, darin, die betreffenden Personen zu ermutigen, ihr Leben wieder in die eigenen Hände zu nehmen, sich gesund und bewusst zu ernähren. Nun ist eine solche Lebensveränderung, die man neumodisch „Selbstwirksamkeit“ nennen mag und die ein Mediziner wie Matthias Riedl als „artgerechte Ernährung“ bezeichnet, schon seit Kant die Aufgabe aller Aufklärung gewesen: die Befreiung des Menschen aus seiner »selbst verschuldeten Unmündigkeit«. Und ist das wirklich so schwierig? Vielleicht, und hier mag das Missverständnis aller Volksbeglücker gewesen sein, beginnt diese Befreiung nicht damit, dass man sich in irgendwelche Ideologien versteigt, sondern dass der erste Schritt in die Mündigkeit den Betreffenden in die eigene Küche hineinführt. Also dann, guten Appetit!

    Matthias Riedl fokussierte sich nach anfänglicher journalistischer Arbeit auf die Medizin und leistete hier, mit der Gründung des medicum Hamburg, Pionierarbeit. Einer breiteren Öffentlichkeit wurde er durch die TV-Serie “Die Ernährungs-Docs” bekannt, welche die in der praktischen Arbeit gewonnenen Einsichten in einem erfolgreichen Fernsehformat umsetzte.

    Von Mattias Riedl sind erschienen:

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  • Estão a faltar episódios?

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  • Es ist schon eine Weile her, dass die alte Punk-Parole (»legal, illegal, scheißegal!«) sich Laut machte, gleichwohl scheint sich auch unsere classe politique in einer großen Verwirrung zu befinden, was den Geist der Gesetze anbelangt. Anders jedenfalls ist nicht nicht zu erklären, dass man im Jahr 2021 ein Vergehen namens Verfassungsschutz-relevante Delegitimierung des Staates ersann - und zudem, anders als ehedem, da man sich auf staatsfeindliche Gruppierungen fokussiert hatte, nun auch noch Einzelpersonen zu Beobachtungsobjekten macht. Was aus derlei unscharfen Rechtbegriffen erwächst, die auch Vorfälle »unterhalb der Strafbarkeitsschwelle« erforschen, lässt dunkle Erinnerungen an Orwell’sche Gedankenverbrechen und ein obrigkeitsstaatliche Denken aufkommen. Dass nun ausgerechnet jene Institution, deren Aufgabe es doch wäre, das Vornehmste dieses Staatsgebildes, nämlich seine Verfassung zu schützen (und zwar auf die diskreteste Art und Weise), sich als Akteur ins Tagesgeschehen einmischt und munter ihre Weisheiten in die Welt hinaustweeted, ist einigermaßen irritierend – umsomehr als derlei auf den bürgerlichen Tod der Beobachtungsobjekte hinauslaufen kann. Und so zitiert Mathias Brodkorb Toqueville, der schon im 19. Jahrhundert die Logik des Cancelns als ›Vervollkommnung des Despotismus‹ begriffen hat:

    Du wirst dein Bürgerrecht behalten, aber es wird dir nicht mehr nützen (…). Du wirst weiter bei den Menschen wohnen, aber deine Rechte auf menschlichen Umgang verlieren. (…) Gehe hin in Frieden, ich lasse dir das Leben, aber es ist schlimmer als der Tod.‹

    Die Beobachtungen, die Mathias Brodkorb (seines Zeichens Sozialdemokrat und Ex-Finanzminister der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern) in seinem Buch Gesinnungspolizei im Rechtsstaat zusammengetragen hat, sind durchaus verstörend. Dabei ist eine der großen Stärken, dass Brodkorb sich nicht nur mit den Beobachtungsobjekten des Verfassungsschutzes, rechts wie links, ausgetauscht hat, sondern auch mit Mitarbeitern des Verfassungsschutzes selbst. War letzteres nur unter konspirativen Bedingungen möglich, so bezeugen diese Innenansichten, dass auch langjährige Mitarbeiter der Entwicklung ihrer eigene Behörde höchst kritisch gegenüberstehen können.

    Mathias Brodkorb, studierter Philosoph und Gräzist, hat sich, bevor er im Kabinett Sellering in Mecklenburg-Vorpommern zunächst Kultur-, dann Finanzminister wurde, vor allem dem Kampf gegen Rechts verschrieben. Derzeit ist er als Kolumnist für das Magazin Cicero tätig.

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  • Von Bertolt Brecht stammt die sonderbare Verszeile: »Was sind das für Zeiten, wo /Ein Gespräch über Bäume fast ein Verbrechen ist / Weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschließt!«. Stand dies Gedicht unter dem Titel An die Nachgeborenen, so mutet es sonderbar an, dass das Gespräch mit einem Forstwirt, genauer: einem Dr. forest., bei dem es wirklich nur um Bäume geht (vulgo: die Nachhaltigkeit), gleich ins Politische ausgreifen muss. Dass dem dennoch so ist, hat damit zu tun, dass die grüne Nachhaltigkeitsideologie sich längst in die Abgründen der politischen Romantik hinein verirrt hat – und ein zunehmend paternalistisches, autoritäres Staatsverständnis an den Tag legt. Von daher verwundert es nicht, dass Andreas Schulte, ein Urgrüner, der lange Zeit in der Entwicklungshilfe tätig war, wenig Positives zur zeitgemäßen Nachhaltigkeitsideologie zu sagen hat – nicht zuletzt, weil ihr Zeithorizont dem politischen Situationismus geopfert worden ist. Oder wie Schulte dies in ein Motto übersetzt hat:

    If Ideology is master,

    you reach disaster faster!

    Nach Aufenthalten in Bolivien und Indonesien, wo er die forst- und holzwirtschaftliche Fakultät an der Mulawarman University aufbaute, folgte Schulte dem Ruf der Universität Münster und übernahm ab 2003 den Lehrstuhl für Waldökologie, Forst- und Holzwirtschaft. Parallel bautet er das Start-Up Wald-Consult Ltd. auf, das internationale Anlegern dabei unterstützt, auf ähnlich nachhaltige Art und Weise zu investieren, wie es bereits Jakob Fugger im späten Mittelalter gelungen ist. Mag dessen gigantisches Vermögen im Laufe der Jahrhunderte den Zeitläuften zum Opfer gefallen sei, so erfreuen sich die Bewohner der Fuggerei noch heute der Früchte dieser Weitsicht (zum Preis einer Jahreskaltmiete von 0,88 € und täglich drei Gebeten). In diesem Sinn ist Nachhaltigkeit kein leeres Wort – geschweige denn, ein ideologischer Prügel, den man nach Belieben gegen seine politischen Feinde einsetzt. Vielmehr ist daran die Ermahnung geknüpft, dass der Wald eine hochkomplexe Kulturlandschaft ist, in der Ökonomie, Ökologie und die eigene Lebenspraxis in ein generationsübergreifendes Gleichgewicht übersetzt werden muss.

    Hier der Link zu Andreas Schultes Cum Tempore-Website

    Videos von Andreas Schulte

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  • Das Vorhaben Booles, den Repräsentanten aus der Mathematik zu entfernen, hat sich in einem sehr viel größeren Maßstab bewahrheitet, als sein Verfasser sich dies hat ausmalen können. Denn mit dem Code der Repräsentation ist ein über mehrere Jahrhunderte ausbuchstabierter Gedankenkontinent brüchig geworden. Unsere Vorstellung davon, was Schrift, Geld, Arbeit, Wissen ist, was Reproduktion, Natur, Körper, Herrschaft oder Politik – der ganze Kontinent unseres Denkens und unseres historischen Selbstbewusstseins muss an dieser Formel zerschellen.

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  • Mögen die Experten ein unverzichtbarer Teil der zeitgenössischen TV-Talkshow-Spektakel sein, so ist die Heraufkunft dieser Spezies doch ein merkwürdiges Faktum, umsomehr, als sich in ihrem Schlepptau ein neuartiger Typ des Experten befindet, der Ethiker nämlich, der sich als Fachmannfrau in ethischen Grenzbezirken umtut. Genau diesem unzertrennlichen Duo hat Alexander Bogner seine soziologische Forschung gewidmet – eine Forschungsentscheidung, der die Wirklichkeit in Gestalt von diversen Gesellschaftsumbrüchen nachgefolgt ist. Wer erinnert sich nicht an die Corona-Krise, in der eine ganze Armada von Experten die Bühne betrat, stets mit dem philosophischen Schatten im Rücken, dem Ethiker nämlich, der im Namen irgendeines nationalen Ethikrates die politische Entscheidung mit der entsprechenden Weisheit garnierte? Konnte sich die Politik auf diese Weise aus der Verantwortung stehlen (und zugleich zu präzedenzlosen Selbstermächtigungsakten schreiten), ist evident, dass man es hier, aller schönen Worte zum Trotz, mit einer hochproblematischen Gemengelage zu tun hat, die nicht selten auf das hinausläuft, was man eine „organisierte Verantwortungslosigkeit“ nennen könnte. Schon aus diesem Grund ist ein Gespräch mit Alexander Bogner ein großer Gewinn. Abgesehen davon, dass man erfährt, dass die Ethik der Philosophie das Leben gerettet habe, gerät die Figur des Experten in den Blick – nicht als Lösung, sondern als Problem, das einer soziologischen Analyse bedarf.

    Alexander Bogner lehrte nach diversen Forschungsaufenthalten an der Universität Innsbruck. Seit 2019 ist er Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Soziologie.

    Von Alexander Bogner sind erschienen

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  • Im Unterschied zu den anderen Formen der Wiederkehr des Verdrängten scheint das Digitale, als Technologie, die Geisterwelt gewissermaßen technisch wiederzubeleben. Die scheinbar abgespaltene Geisterwelt wird zu einer Größe, die archiviert, verwaltet, belebt, manipuliert und ausgesaugt werden kann. Wer über die gespenstisch generierten Daten verfügt, wird die Köpfe der Menschen beherrschen.

    Digitaler Animismus

    Psychopompos

    Ubiquitätsmärchen

    Drohnenfantasie

    Infinite Gegenwart

    Vorherige Kapitel

    Vorausgegangene Kapitel



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  • Wenn die Innenwelt den Körper als Wohnort aufgibt und in den Datenraum abwandert, wird sie das, was sie schon immer war: virtuell. Denn die Innenwelt ist der Ort, an dem die Wünsche verwaltet werden.

    Die Entfernung der Welt

    Die Außenwelt der Innenwelt

    Adam und Eva

    Streicheleinheit

    Borderliner

    Tod durch Selfie

    Vorherige Kapitel



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  • Zu Information aufgelöst, wird die Welt zum reinen Zeichen. Demgegenüber steht das analoge Rauschen, die Kontamination, der ganze Dreck. Insofern etwas Zeichen wird, wird es unsterblich, streift es mit seinem irdischen Leib auch alle Dunkelheit ab, die sich der reinen Vernunft widersetzt.

    Die Abschaffung der Wölfe

    Ausgeburten des Sozialen

    Gebrannte Kinder

    In der Datenhülle

    Mana

    Alles spricht

    Vorherige Kapitel



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  • Das Internet, zum Archiv des Realen geworden, stellt ein Modell der Realität dar, und zugleich: ihre Überschreitung. Es bietet Möglichkeitsformen der Realität. Wie der Träumer, der im Traum zu Bewusstsein kommt und nun, urplötzlich zum Regisseur seines Traums geworden, begreift, dass er, wenn er denn will, fliegen kann, löst man sich von der Welt und wird gewahr, dass es Parallelwelten gibt, in denen andere Gesetze herrschen mögen, in denen es keine Gravitation und keinen Energiemangel gibt. Welcome Gamers, here we are!

    Ein Dokument des Universums

    Der Himmel ist blau

    Die beste aller Welten

    Auf Wolke Nr. 7

    Geisterbeschwörung

    Kunststoff

    Das lebende Archiv



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  • Die gleichzeitige Anwesenheit alles je Geschaffenen, so haben die mittelalterlichen Theologen gelehrt, ist die Hölle. Unter diesen Auspizien kann das Internet als ein Ort der Weltverstopfung, als digitale Hölle aufgefasst werden. Denn das Netz vergisst nicht. Und auch wenn der Betreiber dieses oder jenes Servers Sorge trägt, seinen digitalen Vorgarten frei von Verunreinigungen zu halten, trägt die Proliferationslogik des Netzes dazu bei, dass jeder Dateneintrag tendenziell einen Ewigkeitswert erhält.

    Logik der Zersetzung

    Die große Flut

    Totalliquidation

    Aufmerksamkeitsökonomie

    Scheinproduktion

    Patentiertes Leben

    Der überholte Mensch

    Vorherige Kapitel



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  • Wir sind bei den Geistern und haben uns mit ihnen eingeschlossen in den Schneewittchensarg der symbolischen Systeme, in dem der Tod am Leben und das Leben tot ist, in dem die Verheißung des Lebens, die organische Faktizität des Körpers, auf die symbolische Faktizität der digitalen Maschine übertragen worden ist.

    Schnneewittchensarg

    Reichsparteitag

    Nullachtfuffzehn

    Organisierte Verantwortungslosigkeit

    Marktpenetration

    Gesellschaftskörper

    Ausstattungsidentität

    Vorherige Kapitel



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  • Mögen die Klagen über die Einbuße an Liberalität und Toleranz, ja, über die Probleme der Cancel Culture unterdessen Legion sein, bleibt die grundsätzlichen Frage, was es mit der Hypermoralität auf sich hat, zumeist unerhellt. Genau hier aber setzt Michael Andrick an, der in seinem jüngst erschienenen Buch Im Moralgefängnis das Leben daselbst einer gründlichen, philosophisch unterfütterten Untersuchung unterzieht. Der große Vorzug dieses Zugangs ist, dass er sich aller Wertung enthält und sich stattdessen mit den Eigendynamiken und Konsequenzen der moralischen Aufladung beschäftigt. Genau dies aber macht die Gefahren deutlich, die damit verbunden sind. Ein Zuviel von jenem Moralin (das schon Nietzsche antizipiert hat) erzeugt Moralitis – und diese wiederum schlägt sich als Vergiftung des öffentlichen Diskurses nieder.

    Michael Andrick ist Philosoph, Kolumnist und im Brotberuf Manager bei einem großen Unternehmen. Seit 2021 schreibt er für die Berliner Zeitung eine monatliche Philosophische Kolumne. Seine beiden Bücher Im Moralgefängnis sowie Erfolgsleere wurden weithin rezipiert.

    Von Michael Andrick sind erschienen

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  • Hydra ist die Tochter des Typhon, des Vaters aller Monster, und der Echidna, der Mutter aller Monster. Sie bewohnt den lernäischen Sumpf. Hier bewacht sie ein unterseeisches Tor, das zur Unterwelt führt. Ihr Blut ist giftig, selbst die Spuren, die sie hinterlässt, sind giftig. Die Griechen sagten, sie habe mehr Köpfe, als die Vasenmaler malen konnten. Schlägt man einen ab, wachsen zwei wieder nach.

    Hydra

    Draculas Vermächtnis

    Kernspaltung

    Pandemie

    Im Arbeitsspeicher

    Vorherige Kapitel

    Vorherige Kapitel



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  • Am Anfang war die Null und die Null war bei Gott und Gott war die Eins. Die Null und die Eins waren im Anfang bei Gott. Alle Dinge sind durch dieselben gemacht und ohne dieselben ist nichts gemacht, was gemacht ist. In ihnen war das Leben und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht scheint in der Finsternis und die Finsternis hat’s nicht begriffen.

    1 Boole und die Formel

    2 Im Dark Room der Geschichte

    3 God is a DJ

    4 Alles wird Schrift

    5 Unendliche Potenz



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  • Ein Gespräch mit Dirk Höfer ist schon deswegen nichts Ungewöhnliches, weil wir seit langer Zeit freundschaftlich verbunden sind, zusammen gearbeitet, darüber hinaus ein Buch miteinander geschrieben haben: Alles und Nichts. Ein Pandämonium digitaler Weltvernichtung. Und weil dies fast eine Dekade zurückliegt, lässt sich die Unterhaltung als ein post mortem auffassen, ein Rückblick auf eine gemeinsame Erkundungsreise, die insofern ungewöhnlich ist, als sie sich auf das Unpersönlichste bezieht, das man sich vorstellen kann. Was das ist? Eine mathematische Formel, jene Formel zudem, die unserer digitalen Welt zugrundeliegt:

    x=xn

    Nun gehört es zu den Sonderbarkeiten unserer Zeit, dass zwar jedermann mit der Boole’schen Logik vertraut ist und die Booleans zu den Grundbausteinen der Programmierung gehören, dass aber ihr Urheber ebenso wie die gedankliche Begründung dieser Formel im Dunkeln liegen. Dass selbige selbst den Angehörigen der Programmiererzunft unbekannt ist, war die Verwunderung, die zu dem gemeinsamen Buchprojekt geführt hat. Nun hätte man sich anheischig machen können, dem Stifter dieser Formel, George Boole, der sie in seinen 1854 erschienenen Laws of Thought dargelegt hat, ein Denkmal zu setzen – aber eine solche philologische Ehrenrettung wäre doch, so berechtigt sie sein mag, an dem Rätsel selbst vorübergegangen. Der Frage nämlich, wie es möglich sein kann, dass eine Gesellschaft, welche die Beiträge all ihrer Geistesgrößen, ja selbst der bescheidensten Geister, penibel dokumentiert, manche ihrer tragenden Säulen übersehen will. Dies ist umso erstaunlicher, als man es bei der Digitalisierung ja nicht mit einer Orchideenwissenschaft zu tun hat, sondern mit einer nicht-enden-wollenden Serie von Erschütterungen, welche lange für stabil, ja für unumstößliche gehaltene Gewissheiten schleift. Genau das war der blinde Fleck, den wir in endlosen Gesprächen (und großer Weinseligkeit) versucht haben einzukreisen − woraus das Projekt erwuchs, diese Formel, und mit ihr ein gesellschaftliches Unbewusstes, ins Licht zu rücken.

    Nun hat das Buch einige Übersetzungen erfahren, gleichwohl ist es immer noch so, dass die Formel − als symbolische Form begriffen – ein philosophischer Fremdkörper geblieben ist. Und deswegen werden in den nächsten Wochen die einzelnen Buchkapitel den Lesern von ex nihilo als Audiostücke zugänglich gemacht.

    Und was zu Dirk Höfer zu sagen ist? Nach dem Studium der bildenden Kunst – und einem wachsenden Zweifel am Kunstbetrieb – war er lange Zeit als Redakteur bei Lettre International tätig. Seit 2014 ist er Übersetzer und widmet sich, als großer Connaisseur der Naturhistorie und der Anthropologie, ungewöhnlichen Literaturprojekten. Er übersetzte unter anderem Edward Abbey, Anna Lowenhaupt Tsing, François Augiéras und Nick Land.

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  • here is a link to the English presentation text

    L’imagination au pouvoir!

    Institutionen schaffen Schattenräume, in denen nichts zu sehen ist und keine Fragen gestellt werden. (Mary Douglas)

    Das folgende Video ist die Visualisierung eines Vortrages, den ich im Jahr 2018 im Konzertsaal des Deutschlandfunks in Köln gehalten habe. Der Redakteur, der mich zu diesem Vortrag zum 50jährigen Jubiläum der Studentenrevolte eingeladen hatte, hatte mein kleines Büchlein zur Kulturrevolution von 68 gelesen – und so wurde die zahlreiche, betagte Zuschauerschar, die sich dort eingefunden hatte, um ihre ewige Jugend zu feiern, mit einer höchst ungewöhnlichen Geschichtsdeutung konfrontiert. Was mich um 2007 herum veranlasst hatte, mich diesem Thema zuzuwenden, war eine große Irritation, die sich im Laufe meiner Zeitreisen in die Kulturgeschichte zu einem regelrechten Verdacht ausgewachsen hatte: nämlich dass eine jede Gesellschaft sich über ihre Fundamente im Unklaren ist. Und dass selbst eine aufgeklärte Epoche, statt sich der nüchternen Realitätsschau zu widmen, sich in einen heroischen Gründungsmythos hinein flüchtet, war eine Einsicht, die sich bei der Beschäftigung mit den historischen Quellen von 1967 geradezu aufdrängte. In diesem Sinne war die Studentenrevolte weniger Ursache denn Symptom – und zwar eines, das an den tatsächlichen Triebkräften des Gesellschaftswandels vorübergegangen war, großspurig, enthusiastisch und zeitvergessen. Was meine bedauernswerte Zuschauerschar mit einer wahrhaft deprimierenden Einsicht konfrontierte:

    Stell dir vor, es war Revolution, aber niemand war da!

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  • Wie verpasst man die Zukunft? Vielleicht am besten dadurch, dass man sich gar nicht erst auf sie einlässt. Es ist dieser Vermeidungsimpuls, dem sich Thomas Druyen entgegenstemmt, indem er das klassische Aus-der-Vergangenheit-Lernen invertiert und den Bezugsrahmen stattdessen auf das Künftige richtet. Nicht die Tradition ist die Richtschnur, sondern die Frage, inwieweit sich eine erwünschte Zukunft realisieren lässt – eine Umkehrung, die im digitalen Zeitalter nachgerade eine Gedankennotwendigkeit darstellt. Oder wie Steve Jobs es in schöner Kürze gesagt hat:

    Der Computer ist die Lösung. Was wir brauchen, ist das Problem.

    Der Weg wiederum, der Thomas Druyen in die Zukunft geführt hat, war in mancherlei Hinsicht durchaus ungewöhnlich. Er begann mit der simpel anmutenden Frage, was denn eigentlich Vermögen ist. Urplötzlich fand sich der junge Professor in einem Themengebiet, welches ihn mit der Welt der Superreichen und einem blinden Fleck der soziologischen Forschung konfrontierte – eine Aufgabe, der er sich in zahllosen Interviews unterzog und die zur Gründung des Institutes für Vermögenskultur und Vermögenspsychologie führte. Dass diese Institution bei ihrer Gründung mit den Briefen junger Frauen überhäuft wurde (à la „Wie angelt man sich einen Millionär?“), war ein großartiger Beleg dafür, dass und in welchem Maße die Vermögenspsychologie noch immer ein gesellschaftliches Rätselbild darstellt. An der Sigmund Freud-Universität jedoch wandte sich Druyen zunehmend der Frage der Zukunftsgestaltung zu, genauer: den tiefen Problemen, welche die Zukunft der Digitalisierung für das sicherheitsorientierte, deutsche Mindset darstellt. Denn was gestern als Erfolgsrezept galt, mag heute eher ein Hindernis darstellen, wenn es nicht gar der Vorbote nahenden Unheils ist. Im Angesicht jener digitalen Umwälzung (die man gemeinhin mit dem Epitheton des Disruptiven belegt) ist die Umkehrung des Zeithorizonts ein intellektueller Akt, der das Denken davor bewahrt, sich mit der Diagnose eines wie auch immer gearteten Post zu begnügen (sei es nun postmoderner, postdemokratischer oder postfaktischer Provenienz).

    Thomas Druyen lehrt Vermögenspsychologie und Vermögenskultur an der Sigmund-Freud Privatuniversität in Wien und ist Vorstand des Instituts für Zukunftspsychologie und Zukunftsmanagement.

    Bücher

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  • Man könnte Yascha Mounk einen Spezialisten des Grenzganges nennen, hat er sich doch – mit großem Geschick und intellektuellem Mut – auf schwierigste Themen eingelassen: die Frage der Migration, den Zerfall der Demokratie in den Zeiten des Populismus, das Schwinden des Gemeinsinnes im Neoliberalismus. In diesem Sinne, unerschrocken und maßvoll zugleich, hat er sich mit seiner Identity Trap (auf Deutsch: Im Zeitalter der Identität) an die Entzauberung jener sonderbare Identitätsideologie gemacht, die im Versuch vergangenes Unrecht wettzumachen sich in die ärgsten Widersprüche verstrickt hat – oder wie Mounk es nennt: die in eine Identitätsfalle hineingetappt. ist Und weil man hier das, was man doch beseitigen möchte, hinterrücks wiederauferstehen lässt, führt die Erinnerung an das weiße Privileg und der strategische Essentialismus der Identitätspolitik nicht selten dazu, dass man die rassische Segregation zum Leben erweckt. Damit aber ist das Kostbarste beerdigt, was der Liberalismus hervorgebracht hat: nämlich die Idee des Universalismus. Mag dieser in der Geschichte ein nicht zur Gänze eingelöstes Versprechen gewesen sein, so bleibt er doch ein erstrebenswertes Ideal, ein Ideal zudem, das einen sehr viel offeneren Weltblick gestattet als ein Denken, das sich im Ressentiment und in Tribalismen verliert.

    Nun ist das Bashing der gegnerischen Position Yascha Mounks Sache nicht. Vielmehr verfährt er wie ein Anatom, der seinen Gegenstand sorgfältig zerlegt – und dem es vor allem um das Verständnis der Sache geht. Folglich zeichnet sein Buch das Entstehen dieser Ideologie nach, hat er neben dem Recycling Foucault’scher Diskursbruchstücke auch die Rolle der sozialen Medien im Blick. Und genau das macht das Gespräch über seine Identity Trap zu einem intellektuellen Vergnügen.

    Yascha Mounk ist Acssociate Professor of the Practice of International Affairs an der Johns Hopkins University in Washington, D.C. Im Jahr 2020 gründete er Persuasion, ein Online-Magazin, das sich der Verteidigung der liberalen Werte verpflichtet fühlt.

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  • Michael Seemann ist ein Kind der Netzkultur, ein Blogger und Podcaster der ersten Stunde – der 2010 unter dem schönen Titel ctrl+verlust einen Blog für die FAZ startete und dann in Eigenregie weiterführte. Als gefragter Redner bei den einschlägigen Konferenzen, aber auch als Experte bei Bundestagsanhörungen, rechnet sich Seemann selbst der digitale Bohème zu. Nichtsdestotrotz ist er überaus ernsthaft, was die politischen und untergründigen Implikationen der Netzkultur anbelangt. Dies hat zu einem Nachdenken über die Macht der Plattformen angeregt und seinen Blick auf den sich abzeichnenden Krypto-Hype geschärft. Und so ist (neben einer Videopremiere bei ex nihilo) ein höchst anregendes Gespräch über die Bitcoin-Blase, den Netzwerkeffekt und den Kontrollverlust der klassischen Institutionen entstanden. Höchst apart auch der Auftritt eines neuen Mitbewohners aus dem Hause Seemann, einen kleinen spanischen Hund, der die Aufmerksamkeit seines Herrchen einforderte.

    Von Michael Seemann sind als Buchpublikationen erschienen:

    Themenverwandte Gespräche

    Ein Video zu Robert Metcalfe und der Frage des Netzwerkeffekts



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